: „Die Alphajets heimholen — sofort“
Der ehemalige Flottillenadmiral Elmar Schmähling über politische und rechtliche Aspekte der Stationierung deutscher Flieger in der Türkei/ „Der Golfkrieg wird und muß ohne militärisches Eingreifen der Nato und damit der BRD beendet werden“ ■ Von Elmar Schmähling
Die gesamte politische und militärische Konstellation der Krise am Golf schloß von Anfang an aus, daß der Irak einen Angriff gegen das Nato- Bündnisland Türkei beginnen würde. Die politischen Ambitionen und Ziele Saddam Husseins waren ganz andere. Dennoch war ein Vorbeugungsschlag gegen auf türkischen Luftwaffenstützpunkten stationierte US-Kampfflugzeuge nicht völlig abwegig. Aus diesem Vorgehen Husseins hätten die Gremien der Nato in Brüssel versuchen können, den Bündnisfall zu konstruieren. Jedenfalls erzeugten die Besorgnis der Türkei über einen Krieg mit dem Irak und der Wunsch der USA, den politischen Druck auf Saddam Hussein zu verstärken, gleichermaßen den Druck auf Bonn so sehr, daß 18 deutsche Alphajets der Allied Command Mobile Force an die irakisch-türkische Grenze verlegt wurden. Politisch wie militärisch fragwürdig, konnte dieser Entschluß doch wenigstens mit dem Ziel der Erhöhung der Abschreckung begründet werden.
Der Kampfeinsatz der deutschen Soldaten hätte selbst im Falle eines Angriffs stets unter dem Vorbehalt der Zustimmung von mindestens zwei Dritteln der Abgeordneten des Deutschen Bundestages gestanden. Alle Expertenmeinungen, die besagen, deutsche Soldaten dürften allein auf Befehl eines Natobefehlshabers oder mit Zustimmung der Bundesregierung kämpfen, sind unzutreffend, auch wenn sie mit prominenten Namen verbunden sind. Deutsche Soldaten dürfen per Grundgesetznur zur Verteidigung eingesetzt werden. Wann der Fall zur Verteidigung, d.h. der „Verteidigungsfall“ anzunehmen ist, bestimmt allein der Deutsche Bundestag (Artikel 115a GG).
Das gilt auch, wenn ein Bündnispartner angegriffen wird, weil sich die Bundesrepublik im Natovertrag verpflichtet hat, einen Angriff auf einen Allianzstaat als Angriff auf das eigene Land anzusehen (Artikel 5 Natovertrag). Aber auch für diese Entscheidung gibt es keine Automatik oder Bedingung. Jeder Natostaat entscheidet souverän, wie er diese Verpflichtung erfüllt.
Mit dem Eingreifen amerikanischer Bomber in den Krieg gegen den Irak von der Türkei aus ist der Expertenstreit, ob und wann der Bündnisfall in der Türkei eintritt, Schnee von gestern. Als Verteidigungsbündnis hat sich die Nato den Auftrag gegeben, das Territorium zu verteidigen. „Keine unserer Waffen werden je eingesetzt außer zur Verteidigung“, haben die Staats- und Regierungschefs der Natostaaten wiederholt und feierlich bekräftigt. Von Verteidigung der UN-Charta war nie die Rede.
De jure und de facto kein Natofall
Ein Zurückschlagen des Irak auf amerikanische Streitkräfte in der Türkei kann de jure und de facto keinen Natofall mehr auslösen. Deswegen konnte der neugewählte Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung am 17.Januar 1991 so kategorisch feststellen: „Deutsche Soldaten werden am Golf nicht eingesetzt.“
Die Abschreckung Saddam Husseins hat versagt. Die einzige Aufgabe der deutschen Alphajets ist damit erledigt. Am Krieg teilnehmen dürfen sie nicht. Was soll also ihr Aufenthalt in einem möglichen Kampfgebiet? Sie können nur Opfer sein. Deshalb müssen die deutschen Soldaten schnellstens aus dieser Lage befreit werden. Holt die Alphajets heim — sofort. Die Natoverantwortlichen scheinen noch immer nicht begriffen zu haben, daß die einzige schwache Karte für einen Bündnisfall von der Türkei am 17.Januar verspielt wurde.
[...] Die Bundesregierung drückt ihre Hilflosigkeit gegenüber dem amerikanischen Druck, mehr zu tun, mit der Entsendung weiterer Marineeinheiten in das Mittelmeer aus.Das ist mehr als unnötig und sinnlos. Es beunruhigt Betroffene und Angehörige in unverantwortlicher Weise. Der Golfkrieg wird und muß ohne militärisches Eingreifen der Nato und damit der Bundesrepublik Deutschland beendet werden.
Die dort Verantwortlichen sollen sich jetzt, statt hinter der Musik herzurennen, mit politischen Konzepten für die Zeit danach beschäftigen.
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