Sparhobel bedroht Schulausstattung in den Bezirken

■ Schöneberger Volksbildungsstadträtin befürchtet Streichungen von über 50 Prozent unter anderem bei Volkshochschule, Schulausstattung, Stadtbücherei und dezentraler Kulturarbeit/ Tip eines Mitarbeiters: Klopapier beidseitig benutzen

Schöneberg. Seit Wochen kein handlungsfähiger Senat, düstere Finanzaussichten und eine von der Finanzverwaltung verhängte Sperre über zwanzig Prozent der Bezirksbudgets — die BezirksstadträtInnen in Berlin sind zur Zeit wahrlich nicht zu beneiden. »Und den Bereich Schule und Volksbildung trifft es mit am härtesten«, sagt Karla Werkentin, für die AL als Stadträtin für Volksbildung im Bezirk Schöneberg zuständig. Seit die Finanzsperre bekannt wurde, grübelt sie, wo man bei einem Etat von 13,7 Millionen 20 Prozent sparen soll, ohne mittlere Katastrophen anzurichten.

Die Politikerin will auf keinen Fall den Rotstift »linear« ansetzen; soll heißen: alle Bereiche nicht gleichermaßen schröpfen. Das würde sich für die 35 Schulen, die Stadtbücherei, das Kunstamt und die anderen Bereiche verheerend auswirken, denn die Schöneberger Stadtratskollegen haben ihr mit einem Bezirksamtsbeschluß den ohnhin schon knappen Spielraum noch weiter eingeengt: Der größte Posten ihres Haushalts geht mit 8 Millionen Mark für die Bewirtschaftung der Gebäude drauf. Von diesen 8 Millionen, so der Beschluß, dürfe kein Pfennig gestrichen werden. »Also trifft es die anderen Bereiche um so härter«, sagt die Stadträtin, »damit ich auf meine Sparquote von 20 Prozent komme.« Letztlich, so haben ihre zuständigen Fachbeamten ausgerechnet, bleibt für Schulbücher, Schulspeisung, Büchereibestände, für das Kunstamt, die dezentralen Projekte und die Volkshochschule nicht einmal die Hälfte des ursprünglichen Haushalts. »Keine Schulbücher mehr, keine Schulmöbel und das Klopapier beidseitig benutzen«, erklärte lakonisch ein Mitarbeiter.

Unter diesen Voraussetzungen will Karla Werkentin noch nicht einmal darüber nachdenken, wie die geforderte Sparquote erreicht werden soll. Im Bezirk Reinickendorf hat man bereits den Sparhobel »linear« angesetzt, mit der Konsequenz, daß zum Beispiel keine Schülerfahrten mehr genehmigt werden können. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) hat diese Maßnahme bereits kritisiert, für Karla Werkentin kommt so etwas vor allem im Grundschulbereich »gar nicht in die Tüte«. Allerdings sieht sie gerade bei diesem Haushaltsposten, bei dem das Bezirksamt jährlich an die 180.000 Mark Reisekostenzuschüsse für SchülerInnen und LehrerInnen zubuttert, durchaus Einsparmöglichkeiten. Der Deutsch-Leistungskurs muß nach ihrer Auffassung keine drei Wochen in Rom und Florenz auf den Spuren Geothes wandern. »Ein paar Tage auf den Spuren Fontanes in der Mark Brandenburg tun's auch.«

Die AL-Politikerin hofft auf die Lernfähigkeit der verantwortlichen PolitkerInnen. Offensichtlich nicht ganz umsonst: Beim Finanzstadtrat will man nun eine neue Vorlage einbringen, der ihren Spielraum wieder erweitern soll. Und sobald der heißersehnte Senat und das Abgeordnetenhaus endlich ihre Arbeit aufgenommen haben, will der Schöneberger Bezirkselternausschuß die zuständigen PolitikerInnen aus dem Haupt- und Schulausschuß einladen, um ihnen am Beispiel Schöneberg die Auswirkungen einer »linearen« Rotstiftpolitik zu demonstrieren. Andrea Böhm