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„Teile von Bagdad in Trümmern“

■ Augenzeugen, Flüchtlinge und Reporter berichten über die zunehmend desolate Lage in der irakischen Hauptstadt/ Kritik in Saudi-Arabien über fortgesetzte irakische Raketenangriffe

Washington/Dhahran (dpa/ap/ afp) — US-Verteidigungsminister Cheney hat die Verschleppung der im Irak gefangengehaltenen Bomberpiloten als „menschliche Schutzschilde“ ein Kriegsverbrechen genannt. Die Verlegung der Kriegsgefangenen an mögliche Zielorte der Bombardements wurde vom Irak damit begründet, daß die multinationale Streitmacht zivile Einrichtungen im Irak angegriffen habe. Dabei seien mehrere Iraker getötet und verwundet worden: „Wegen dieser Angriffe wurde entschieden, die 25 Kriegsgefangenen zu zivilen, wirtschaftlichen, wissenschaftlichen und anderen Zielen zu bringen“, hieß es dazu.

Am fünften Tag des Golfkrieges sind die Angriffe der alliierten Luftflotten gegen Ziele im Irak und Kuwait fortgesetzt worden. Wie schon in der Nacht waren Bagdad und seine Vororte auch gestern mittag erneut Ziel von Luftangriffen. Der CNN- Reporter Peter Arnett sprach von „heftigen Bombardierungen“ während der Nacht. Er erklärte jedoch, die Wohnviertel seien offenbar bisher nicht getroffen worden. „Die Mehrheit der Bewohner Bagdads ist entweder aus der Stadt geflohen und hat Unterschlupf auf dem Land gefunden oder verbringt die meiste Zeit im Bunker. Viele wagen sich hinaus bis zu den Ufern des Tigris, um Wasser zu holen oder ihre Wasserbehälter an den Tankwagen der Regierung zu füllen, die tagsüber durch die Wohnviertel fahren. Wasser scheint zur Zeit das größte Problem in Bagdad zu sein“, berichtete Arnett. Am Sonntag hatten britische Journalisten aus Amman berichtet, Bagdad sei durch die anhaltenden Bombardierungen bereits stark zerstört. Der britische ITN-TV-Reporter Brent Sadler berichtete über die Lage in der irakischen Hauptstadt: „Tagtäglich immer mehr fällt die Infrastruktur Bagdads — was man davon sehen kann — in Trümmer.“ Er sagte, die Angriffe hätten „verheerende Auswirkungen“ auf die Stadt; Wasser- und Stromversorgung und die sanitären Anlagen funktionierten nicht mehr, Benzin sei kaum zu bekommen. „Die alliierten Flugzeuge fliegen jetzt zweitrangige Ziele wie Kraftwerke an. Die Iraker merken, daß dies kein Krieg ist wie der gegen Iran.“ Jetzt würden die wahren Ausmaße und das Leiden des Bombenkrieges deutlich: „Das Leben für den durchschnittlichen Iraker ist die Hölle. Sie sitzen im Dunkeln, mit Kerzen, mit Fackeln, horchen auf das Bombardement, wenn sie nicht zu tief unten sind.“ Nichtsdestotrotz unterstützten die Menschen im Irak offenbar nach wie vor ihren Präsidenten Saddam Hussein.

Die Zeitungen erscheinen weiterhin in Bagdad. So veröffentlichte das Blatt 'Al Dschumhurijah‘ am Montag die Fotos der sieben zuvor im Fernsehen vorgeführten Piloten und Abbildungen der Trümmer ihrer Flugzeuge.

Fünf Tage nach Kriegsbeginn werden in Saudi-Arabien angesichts mehrerer irakischer Raketenangriffe erste Kritik und Zweifel an der Effektivität der US-Bombardements laut. Die Stimmung am Golf beginnt umzuschlagen: „Die Amerikaner haben bislang ihr Ziel nicht geschafft, die Kriegsmaschinerie im Irak zu zerschlagen“, kommentiert ein arabischer Beobachter in Dhahran.

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