: „Bloß keine faulen Kompromisse mehr“
■ Joschka Fischer, Fraktionsvorsitzender der Grünen im hessischen Landtag, auf dem Sprungbrett zum Ministeramt INTERVIEW
taz: Welche Auswirkungen wird der Ausgang der Hessenwahl — das gute Abschneiden der Grünen — auf die Bundespartei haben?
Fischer: In Hessen hat sich gezeigt, daß eine ökologisch-soziale Reformpolitik, wie wir sie seit Jahren machen, eine breite Wählerzustimmung findet, während in der Bundespartei vier Jahre lang im wesentlichen eine Politik der Selbstbehinderung betrieben wurde. Damit muß Schluß sein. Die Grünen haben jetzt eine letzte Chance. Wir müssen die innerparteilichen Strukturreformen durchführen — eine klare Parteiorganisation mit klaren Wählbarkeiten und Abwählbarkeiten schaffen und die richtigen Leute wählen, die das auch nach außen darstellen können.
Und dann muß die Bundespartei versuchen, auch außerhalb des Parlaments eine Oppositionspolitik zu entfalten, die sowohl putzmuntere Opposition macht, als auch gleichzeitig ökologische und sozialpolitische Kompetenz bei der Partei ansiedeln. Dann besteht eine Chance, über die Länder und über eine so erneuerte Bundespartei wieder in den Bundestag zu kommen.
Werden die hessischen Grünen, wird Joschka Fischer persönlich in Bonn intervenieren, um dort die Weichen zu stellen?
In Bonn werde ich nicht persönlich intervenieren, sondern es geht darum, auf dem kommenden Parteitag klare Entscheidungen zu treffen. Ich kann da nur vor faulen Kompromissen warnen. Das würde die Partei auf Bundesebene, was ihre Wahlchancen betrifft, dann bitter bezahlen müssen.
Erfährt jetzt die als „Auslaufmodell“ geschmähte rot-grüne Koalition durch die rot- grüne Option in Hessen eine Renaissance?
Wir stehen hier vor der Situation, daß Rot-Grün die Mehrheit hat. Am Wochenende auf dem Landesparteitag werden wir entsprechende Beschlußvorlagen einreichen, daß wir mit der SPD verhandeln können. Wir müssen dann auf dieser Grundlage die notwendigen Kompromisse für ein gemeinsames Regierungsprogramm finden und nach den Sachentscheidungen Personalentscheidungen treffen.
Endgültig beschlossen wird die Koalition dann auf einem Landesparteitag. Der Beweis, daß Rot- Grün gestaltungsfähig ist, Regierungspolitik machen kann, muß auf Landesebene erst noch erbracht werden. Die Niedersachsen gehen da in die richtige Richtung. Und in Hessen haben wir bessere ökonomische und kulturelle Voraussetzungen dafür, es gemeinsam mit der SPD schaffen zu können.
Eine sozial-ökologische Koalition in Bonn ist zur Zeit eine Illusion. Ist denn eine Ampelkoalition auf Bundesebene eine Alternative für die 90er Jahre?
Eine Ampelkoalition ist gegenwärtig nur ein machtpolitischer, arithmetischer Wunschtraum. Ich sehe keine Substanz dahinter. Und ich halte diese Diskussion gegenwärtig für falsch. Die Grünen müssen sich jetzt erst einmal „berappeln“, daß sie die richtigen Entscheidungen treffen, daß Stabilität in die Partei kommt — und wenn das der Fall ist, dann müssen die Grünen erst einmal wiederkommen. Da rede ich doch jetzt nicht über Koalitionen auf Bundesebene. Interview: Klaus-Peter Klingelschmitt
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