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Keine Zeit für Trauer

■ Betr.: "Bei den Demos sind die Schüler Spitze", taz vom 18.1.91

betr.: »Bei den Demos sind die Schüler Spitze«,

taz vom 18.1.91

[...] Es ist traurig, daß die Generation unserer Eltern als vom Zweiten Weltkrieg Geschädigte auf der Demo so gut wie überhaupt nicht vertreten war. Kommentare von älteren Straßenpassanten: »Die sind zwar schlampig angezogen, aber wenn's ums Demonstrieren gegen den Krieg geht, sind die heller und schneller als wir, wegen unserer Erziehung damals«, können wohl als Anerkennung für das Friedensengagement der Jugend verstanden werden. Für die überwiegende Mehrheit der DemonstrantInnen scheint das auch angebracht.

Ob wir aber auch tatsächlich heller geworden sind oder nicht immer noch ein militärisch geprägtes Denken der angebrachten Trauer über die am Golf sterbenden Menschen vorziehen, ist die Frage. Äußerungen wie: »Na denn, mal wieder an die Front!« bei einem kleinen Scharmützel mit der Polizei, drücken die Selbstverständlichkeit aus, mit der wir in unseren Köpfen auf einen Friedens»kampf« eingestellt sind. So können die eingeschlagenen Schaufenster bei Fernseh-Foto Wegert kaum als adäquate Reaktion auf den Medienterror, den uns die gegeneinander konkurrierenden Fernsehsender zur Zeit besonders stark aussetzen, verstanden werden. [...] Zu bedauern ist, daß wir — ebenso wie jene — unfähig zu sein scheinen, Trauer zu empfinden und statt dessen darauf aus sind, Nebenkriegsschauplätze zu inszenieren.

Vielleicht hätte eine Blockade der City-Läden mehr mit der Sache als solche zu tun, als deren Materialzerstörung, wie es die heutige Schließung einer Berliner Buchhandlung demonstriert, die den Verkauf ihrer Bücher mit dem Hinweis eingestellt hat: »Wir denken jetzt nicht an Literatur und Bücher, sondern an die Menschen, die unsägliches Leid erfahren und getötet werden.« Anne Blob, Berlin

Der spontane und massenhafte Protest der SchülerInnen auf Berlins Straßen berührt mich zutiefst, und ich habe davor alle Hochachtung. Gleichzeitig beschämt es mich, daß sie uns Älteren, die wir zum Teil noch Krieg erlebt haben, erst deutlich machen müssen, was »Sache ist«. Und es macht sehr viel Mut!

Haltet weiter durch! Fridburg Thiele, Berlin 41

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