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Die Löcher im UN-EmbargoDrehscheibe für die Todesfracht

■ Über die Häfen von Bremen und Hamburg wurden seit dem Sommer 1989 neben einer schlüsselfertigen Bombenzünderfabrik Präzisionsinstrumente aus England, Frankreich, Deutschland und der Schweiz für Rüstungsprojekte im Irak verschifft.

Bremen war seit zwei Jahren Drehscheibe für ein gigantisches Rüstungsprojekt im Irak. Über die Bremer Speditionsfirma Cifco wurde vom Sommer 1989 bis zum Beginn des UN-Embargos gegen den Irak im August 1990 eine schlüsselfertige Bombenzünderfabrik nach Bagdad geliefert. Als das Embargo in Kraft trat, war die Fabrik nahezu fertiggestellt. Die noch in Bremen festliegenden Restlieferungen für dieses mit der Code-Nummer 943-2 bezeichnete Rüstungsprojekt wurden dann allerdings während des Embargos, mit ausdrücklicher Genehmigung des Bremer Zolls, nach Chile verfrachtet.

Seit Sommer 1989 sammelte die Firma Cifco auf dem Gelände der Stauerei Tiemann im Bremer Industriehafen Präzisionsdrehbänke, CNC-Fräsen und Maschinen von Firmen aus England, Japan, Frankreich, der Schweiz und Deutschland. Von dort aus wurden die Anlagenteile nach Aussagen des ehemaligen Cifco-Geschäftsführers Altmeppen in 19 Einzellieferungen über die Häfen von Bremen und Hamburg in den Irak verfrachtet. Eine wichtige Zulieferfirma für dieses Rüstungsprojekt war die Firma Ferrostaal aus Essen. Gegen Ferrostaal laufen seit Monaten in anderen Fällen staatsanwaltschaftliche Ermittlungen wegen des Verdachtes der Lieferung von Rüstungstechnologie in den Irak.

Die Hintermänner operieren von Chile aus

Die Firma Cifco wurde 1988 in das Handelsregister eingetragen. Das Gründungskapital stammt von Schweizer Nummernkonten. Generalbevollmächtigter der Firma ist seit November 1989 der Bremer Anwalt, SPD-Bürgerschaftsabgeordnete und Vorsitzende der Deputation für Justiz und Verfassung, Dr. Rudolf Monnerjahn. Vollmachtgeberin ist eine Briefkastenfirma in Panama.

In Wirklichkeit gehört die Bremer Firma zum Imperium der weltweit operierenden Waffenhandelsfirma Cifco in Chile. Cifcos wichtigstes Geschäft ist der Vertrieb der Produkte des chilenischen Rüstungskonzerns Cardoen. Der Chef von Cifco ist zugleich der Vizepräsident von Cardoen. Und Cardoen ist seit Jahren Hoflieferant für Saddam Husseins Armee. Allein mit dem Export von weltweit geächteten Splitterbomben an den Irak hat der Konzern fast 400 Millionen Mark umgesetzt.

Die Verantwortlichen residieren in Bremen

Cifco Bremen ist seit ihrer Gründung von den Chilenen als Generalvertretung für Europa bevollmächtigt und beliefert von hier aus den Nahen Osten. Cifco wickelte u.a. das Bombenzünderprojekt 943-2 ab. Außerdem lieferte sie — als der Irak noch nicht über eine eigene Produktion elektronischer Zünder verfügte — diese hochkomplizierte und sehr präzise Kriegstechnologie über Südafrika nach Bagdad. Hierfür setzten die Bremer ihr eigenes Schiff, die Tremont, ein. Die Bombenfrachten wurden vom Bremer Büro aus gemanagt. Nach Aussagen des chilenischen Militärexperten Pedro del Fierro wurden die Präzisionszünder 1988 auch bei den Giftgaseinsätzen gegen die Kurden eingesetzt.

So umfangreich wie das Rüstungsprojekt sind die Unschuldsbeteuerungen der Verantwortlichen in Bremen. Der frühere Geschäftsführer von Cifco, Altmeppen, will keinerlei Verdacht gehabt haben, daß es bei den Lieferungen für den Irak um Rüstungslieferungen ging. Erst nach einer Reise in den Irak habe er Verdacht geschöpft. Er habe sich dann geweigert, das Projekt 943-2 weiter abzuwickeln. Kurz darauf wurde Altmeppen jedoch von Rudolf Monnerjahn entlassen. Da ein neuer Geschäftsführer nach Altmeppens Entlassung noch nicht zur Verfügung stand, übernahm Monnerjahn neben seiner Funktion als Bevollmächtigter auch geschäftsführende Tätigkeiten und unterzeichnete u.a. Schecks für die Firma.

Was wußte der Bremer Zoll?

Der SPD-Politiker Monnerjahn erklärte gestern nach Bekanntwerden seiner Tätigkeit für Cifco, er habe sich „überhaupt nichts vorzuwerfen“. Er habe die Räume der Cifco in Bremen nie betreten und von dubiosen Geschäften mit dem Nahen Osten erst im Oktober 1990 erfahren. Er habe daraufhin sofort sein Mandat zurückgegeben. Monnerjahn, der unmittelbar nach der Fernsehveröffentlichung eine telefonische Morddrohung erhalten hatte: „Ich habe lediglich eine anwaltliche Leistung völlig korrekt erbracht.“

Auch der dann von Monnerjahn im Mai 1989 eingestellte neue Cifco- Geschäftsführer Wolfgang Zupke will angeblich nichts von den dubiosen Geschäften gewußt haben. Allerdings räumt er ein, daß ihm nach einer Geschäftsreise nach Chile klar wurde, daß hinter Cifco Bremen der chilenische Rüstungskonzern Cifco- Cardoen steckt.

Erst im Mai 1990 will der Bremer Zoll, so Fahnder Manfred Busma, etwas von dem Projekt 943-2 erfahren haben. Daraufhin, so Busma, habe der Zoll sich die Firma einmal angesehen, aber „nichts Verdächtiges“ entdeckt. Was Busma verschweigt: Schon im Dezember 1989, also in einem sehr frühen Stadium der Projektabwicklung, war der Zoll über den Verdacht informiert, daß es sich bei dem Projekt 943-2 um ein großes und strategisch wichtiges Rüstungsprojekt im Irak handelte. Aber erst ein Jahr später, als die Bombenzünderfabrik in Bagdad längst stand, schlug der Bremer Zoll zu. In einer spektakulären Großaktion durchkämmten im Dezember 1990 Fahnder die Geschäftsräume der Firma Cifco sowie die Privatwohnung des ehemaligen Geschäftsführers Altmeppen. Die Behörde wolle, so die Befürchtung eines am Projekt beteiligten Geschäftsmannes, nachdem sie von den Recherchen des WDR erfahren hat, durch hartes Vorgehen gegen Firmen und Personen vom eigenen Versagen in Sachen Cifco ablenken.

Doch die Tatsache, daß unter den Augen des Zolls eine Bombenzünderfabrik an den Irak geliefert wurde, läßt sich jedoch auch durch nachgeschobene Großaktionen nicht mehr rückgängig machen.

Bürgerschaft soll Rüstungsumschlag künftig verbieten

Die Grünen in der Bremer Bürgerschaft haben inzwischen eine Große Anfrage in Sachen Cifco eingebracht. Heute soll das Landesparlament über einen Antrag der Grünen beraten, dem staatlichen Bremer Hafenbetrieb BLG künftig jeglichen Rüstungsumschlag zu verbieten. In einer internen Kampfabstimmung der SPD-Fraktion mochten sich dieser Forderung am Montag abend jedoch lediglich neun der 54 SPD-Abgeordneten anschließen. Am kommenden Samstag ruft deshalb die Friedensbewegung zu direkten Aktionen vor den Bremerhavener Kais auf, an denen in den vergangenen Wochen rund 100 Schiffe mit Kriegsmaterial der US-Army für den Golf beladen worden waren. Rainer Kahrs/Dirk Asendorpf

Der Film Bremen-Bagdad von Rainer Kahrs und Wilfried Huismann wird heute, Mittwoch, 23.1.91, um 21.30 Uhr in N3 wiederholt.

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