Gorbatschow übernimmt vorerst nicht das Ruder in Lettland

■ Lettlands Parlamentspräsident beruhigt die Bevölkerung: Keine Präsidialverwaltung

Moskau (dpa/taz) — In Lettland wird es offenbar doch keine Präsidialverwaltung aus Moskau geben. Der lettische Parlamentspräsident Anatoli Gorbunows erklärte gestern: „Das Gerede von der Einführung der Präsidialverwaltung entbehrt jeder Grundlage.“ Auch der estnische Präsident Arnold Rüütel gab seinen Landsleuten gestern Entwarnung: Gorbatschow habe am Montag die Anwendung von Gewalt durch Einheiten der Moskauer Zentralmacht in Estland ausgeschlossen. Der frühere sowjetische Präsidentenberater Stanislaw Schatalin forderte Gorbatschow unterdessen in einem offenen Brief auf, wegen der sich a n b a h n e n d e n w i r t s c h a f t l ichen Katastrophe den Weg radikaler Reformen einzuschlagen oder zurückzutreten. Er solle von der politischen Versuchung ablassen, die Republiken zur Unterzeichnung des neuen Unionsvertrages bewegen zu wollen. Das Europaparlament beschloß gestern aus Protest gegen die Gewaltanwendung in den baltischen Staaten, die im Gemeinschaftsetat 1991 vorgesehene Nahrungsmittelhilfe für die UdSSR zu blockieren. Ursprünglich waren Lieferungen in Höhe von 517 Millionen Mark und zusätzliche Sonderdarlehen eingeplant. Außerdem wollen Frankreich und Deutschland ihre Diplomaten mit einer Protestnote in den Kreml schicken.