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Heckelmann — ein Senator mit Vergangenheit

■ Wie der designierte Innensenator seine politische Karriere einleitete: Jurist, der den Richter in eigener Sache spielt/ Anonymes Pamphlet verfaßt, um eigene Wahlchancen zu verbessern/ CDU-Seilschaft sichert Karriere/ Polizistenprügel gegen Studenten

Berlin. An einem Sommertag des Jahres 1987 blickte der Wissenschaftsausschuß des Abgeordnetenhauses in einen Abgrund. Ihm wurde berichtet, mit welch unsauberen Methoden sich der Juraprofessor Dieter Heckelmann den Weg freigekämpft hatte, um Präsident der Freien Universität (FU) zu werden. 1983 war das gewesen.

Vor seiner Wahl zum FU-Präsidenten hatte sich der Jurist Heckelmann 1983 zum Richter in eigener Sache gemacht. Er hatte eine Untersuchung an sich gezogen, deren Objekt er selbst war. Was war geschehen? Eine üble Beschimpfung des amtierenden FU-Präsidenten Eberhard Lämmert in der 'Deutschen Universitätszeitung‘ (DUZ) hatte für Empörung gesorgt, denn der Schreiberling hatte seine Tiraden unter falschem Namen verfaßt. Die Untersuchung des Falles durch die FU riß Heckelmann (als Vizepräsident) entgegen der Anweisung des Präsidenten Lämmert an sich. Wenig später präsentierte er achselzuckend sein Ergebnis: Der anonyme Verfasser könne nicht mehr ermittelt werden. Vier Jahre später tauchte das Manuskript auf, und die Handschrift entlarvte Dieter Heckelmann selbst als den damals Gesuchten.

Ein Fall wie aus Kleists Zerbrochenem Krug, in dem der Dorfrichter Adam in die Lage gerät, den Richter in eigener Sache zu spielen. Heckelmann ging noch dreister vor. Er nutzte eine Reise seines Vorgesetzten, um sich des Verfahrens zu bemächtigen. Als dies aufgeflogen war, erfuhr der Wissenschaftsausschuß bei der Anhörung der Übeltäter im Sommer 1987, was sich im Vorfeld der 83er Heckelmann-Wahl alles zugetragen hatte: Da hatte der aufs Präsidentenamt versessene Juraprofessor, um seine Siegeschancen zu verbessern, die Idee mit dem anonymen Pamphlet entwickelt. Dann kochte Heckelmann den Plan in der Sauna mit seinen konspirativen Rechts-Freunden von der FU, Randelzhofer und Scholz, weiter. Später, als alles herauszukommen drohte, holte Heckelmann seinen Mittäter, den FU-Pressesprecher Schlooz, in seine Wohnung, um mit ihm in einem Rollenspiel seine Vernehmung zu trainieren, und stand gar eines Nachts lamentierend am Bett seines Komplizen Schlooz. All dies plauderte Schlooz, den Heckelmann nach seinem Sieg im Machtkampf um den FU-Chefsessel fallenließ, vor dem Wissenschaftsausschuß aus (siehe Dokumentation).

Daß der künftige Innensenator seine politische Karriere mit einem solchen Ganovenstück voll trüber Mittelmäßigkeit eingeleitet hat, wirft ein Schlaglicht auf sein politisches Format. Konspirativ, wie er seine Wahl vorbereitet hatte, hat Heckelmann an der FU dann auch regiert. Wer ihm die nötigen Mehrheiten in den akademischen Gremien verschaffte, wurde (im besten Fall mit einer Uni-Stelle) belohnt. Wer sich seiner Politik in den Weg stellte, mußte mit seiner unerbittlichen Verfolgung rechnen. Eine großangelegte und kostspielige Umstrukturierung seiner Verwaltung diente eigens dem Zweck, unliebsame Beamte kaltzustellen.

Als Heckelmanns Richter-Adam- Spiel 1987 aufflog, schien seine politische Karriere beendet. Er selbst war der Ansicht gewesen, wenn die Geschichte auffliege, sei er »bis auf die Knochen blamiert« und könne »zur Not Versicherungen verkaufen in Taiwan«. Doch Heckelmann besaß die Chuzpe, sich zur Wiederwahl zu stellen und sie innerhalb des konservativen Lagers durchzusetzen. Fest genug hing er in den Seilschaften der CDU, so daß der damalige CDU-Wissenschaftssenator Turner auch auf das geforderte Disziplinarverfahren gegen ihn verzichtete. Einen Vorgeschmack auf seine Amtsführung als Innensenator gab Heckelmann im Winter 1988/89, als er die berüchtigte Polizeieinheit EbLT zum Prügeleinsatz auf streikende StudentInnen zu Hilfe rief.

Er ist er dritte CDU-Innensenator innerhalb von zehn Jahren: Lummer spielte den Feldherrn, Kewenig haderte mit dem Rechtsstaat, und nun Heckelmann, dessen politisches Freund-Feind-Denken Böses ahnen läßt, wenn man bedenkt, daß er unter anderem Chef des soeben ausgemisteten Verfassungsschutzes wird. wist

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