: Afrika zahlt im Golfkrieg drauf
Der IWF prognostiziert drei bis vier Milliarden Dollar Einnahmeverluste und steigende Inflation ■ Aus Nairobi Bettina Gaus
Wieder einmal trifft es die ärmsten Länder am härtesten: Drei bis vier Milliarden US-Dollar wird die Golfkrise voraussichtlich jene Staaten Afrikas kosten, die nicht über eigene Ölquellen verfügen — eine Folge höherer Rechnungen für Ölimporte, höherer Transportkosten und sinkender Einnahmen etwa im Tourismusbereich. Diese Zahl nannte ein Vertreter des Internationalen Währungsfonds (IWF) in Nairobi. Derartige Berechnungen bergen gegenwärtig zwar viele Fehlerquellen, da niemand die Entwicklung genau vorhersehen kann, fest jedoch steht: Die Aussichten sind unter fast jeder möglichen Annahme düster. Sollte sich der Preis pro Barrel Öl bei etwa 25 US-Dollar einpendeln — eine eher optimistische Schätzung —, dann müßte alleine Kenia zwischen Juni 1990 und Juli 1991 rund 105 Millionen Dollar mehr für seine Ölimporte bezahlen als im Vorjahr — und das zu einem Zeitpunkt, zu dem die Preise für Kaffee, das wichtigste Exportprodukt des ostafrikanischen Landes, in den Keller gefallen sind.
„Der Markt muß die Preise regeln“, erklärte der IWF-Vertreter in Nairobi, „Wirtschaft funktioniert nur über den Markt. Sie dürfen das nicht vom humanitären Standpunkt aus betrachten.“ Kenia, das mit seiner prowestlichen Marktwirtschaft den Industrieländern stets als Bollwerk gegen den Kommunismus galt, kann wenigstens mit der Hilfe des IWF rechnen: Ein zusätzlicher Kredit in Höhe von 28 Millionen Dollar zu äußerst günstigen Bedingungen wird dem Land als erstem Staat Afrikas eingeräumt, um die Kosten der Golfkrise wenigstens teilweise auffangen zu können. Der IWF muß ein Interesse daran haben, daß nun nicht auch noch die Wirtschaft Kenias kollabiert, galt doch dieses Land trotz hohen Bevölkerungswachstums und sinkender Devisenreserven jahrelang als das nahezu einzige auf dem afrikanischen Kontinent, in dem die umstrittenen IWF-Strukturanpassungsprogramme wenigstens gewisse Erfolge zeigten.
Die UN-Wirtschaftskommission unter Vorsitz von Adebajo Adedeji fordert seit Jahren eine grundlegende Reform der Weltwirtschaft und eine Abkehr von den Strukturanpassungsprogrammen des IWF. Ihren Berechnungen zufolge ist das Durchschnittseinkommen des Afrikaners in den letzten zwölf Jahren kontinuierlich gesunken. Und es wird noch schlimmer: Die Golfkrise wird selbst nach Berechnungen des IWF das Bruttosozialprodukt Afrikas um ein bis zwei Prozent sinken, die Inflation um zwei bis drei Prozent steigen lassen. Zu Beginn der Woche veröffentlichte die Wirtschaftskommission in Addis Abeba ihren Jahresbericht. Mit deprimierenden Zahlen: Selbst einige ölexportierende Länder Afrikas verlieren durch die Golfkrise unter dem Strich, weil ihre Mehreinnahmen durch das schwarze Gold von Verlusten in den Bereichen Tourismus und Handel übertroffen werden. Ägypten beispielsweise mußte 600.000 Arbeitskräfte, die im irak und in Kuwait beschäftigt waren, mit immensen Kosten wieder zu Hause integrieren. Ein Binnenland wie Ruanda ist in einer fast völlig ausweglosen Situation: Die Transportkosten erreichen schwindelnde Höhen, die sinkenden Deviseneinnahmen stammen zu achtzig Prozent aus Kaffee. Die Fläche, die für die Sträucher benötigt wird, fehlt dem am dichtesten besiedelten Staat Afrikas für den Anbau von Nahrungsmitteln — vor einem Jahr meldete das zentralafrikanische Land eine Hungersnot, die keine klimatischen, sondern strukturelle Ursachen hatte.
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