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„Putschversuch gegen Saddam scheiterte“

■ Schiitische Opposition in London behauptet: Versuch, das Bagdader Fernsehgebäude zu besetzen, scheiterte vergangenen Freitag/ Angeblich auch Baath-Mitglieder beteiligt/ Londoner Außenministerium empfängt zwei Oppositionsführer

London (taz) — Ein verzweifelter Versuch, Saddam Hussein zu stürzen, wurde vergangenen Freitag vereitelt, als sieben Menschen beim Versuch getötet wurden, das Hauptfernsehgebäude in Bagdad zu stürmen. Dies behauptete der hochrangige schiitische Oppositionsführer Abdul Aziz el-Hakim diese Woche in London. Er wurde am Montag zusammen mit einem anderen irakischen Oppositionsführer vom britischen Außenministerium empfangen.

Zwei der getöteten Männer, deren Namen nicht genannt wurden, seien hochrangige Mitglieder der regierenden Baath-Partei gewesen, sagte el-Hakim. Sie hatten vor, eine Botschaft an die Nation auszustrahlen in der Präsident Saddam für die Entfachung eines neuen Krieges verantwortlich gemacht und die Bevölkerung zu einem allgemeinen Aufstand aufgerufen werden sollte. Ein Stromausfall verhinderte die Ausstrahlung und die beiden wurden von Sicherheitskräften festgenommen und getötet.

Sahib el-Hakim, Vorsitzender der Organisation für Menschenrechte im Irak, sagte, dieser Bericht sei unmöglich verifizierbar, doch seien Abdul Aziz el-Hakims Quellen gewöhnlich verläßlich.

Abdul Aziz el-Hakim ist der jüngere Bruder des Ajatollah Mohammed Bakr el-Hakim, dem Führer des Höchsten Islamischen Rats des Irak, im Jahre 1980 von exilierten schiitischen Würdenträgern gegründet, nachdem Saddam Hussein viele schiitische Führer hinrichten ließ. Die antiwestliche, fundamentalistische Bewegung arbeitet eng mit der illegalen „Dawa“-Partei zusammen und hat mehrfach versucht, Saddam Hussein umzubringen. Nach eigenen Angaben unterhält sie Tausende bewaffnete und ausgebildete Agenten im Irak und auch hochrangige Kontakte unter den Schiiten in Saddam Husseins Militär- und Sicherheitsapparat. Abdul Aziz el-Hakim verbrachte eine Dreiviertelstunde mit dem Staatssekretär für den Nahen Osten im britischen Außenministerium, David Gore-Booth. Dies könnte ein Anzeichen dafür sein, daß sich Großbritannien Gedanken über die Zusammensetzung einer irakischen Exilregierung macht. Gore- Booth sprach getrennt auch mit Sami Abdul Rahman, dem Generalsekretär der kleinen Kurdischen Demokratischen Volkspartei, einer Abspaltung von der Kurdischen Demokratischen Partei.

Ministerialbeamte beschrieben die Gespräche als Gelegenheit für die irakische Opposition, ihre Standpunkte und Nachkriegsziele darzulegen. In Washington zeigte das US- Außenministerium großes Interesse an der britischen Einschätzung dieser Kontakte. Bis jetzt gibt es wenig Anzeichen für eine offene Opposition im Irak, die die Bevölkerung um ein gemeinsames Programm scharen könnte.

Die 17 Oppostionsgruppen werden jetzt in ihrer Hoffnung bestätigt, daß die USA und Großbritannien nicht mehr mit der Machterhaltung Saddam Husseins rechnen. „Wir versuchen zu zeigen, daß es eine ansehnliche Alternative zu seiner Regierung gibt, und es ist die Pflicht demokratischer Regierungen, uns moralisch zu unterstützen“, sagte Rahman. Doch die Opposition ist über ihre Haltung zu den alliierten Luftangriffen gespalten, und manche sind dabei, einen Aufruf an die Vereinten Nationen zu formulieren, in dem ein Ende der Zerstörung ziviler Einrichtungen gefordert werden soll. (Aus 'Guardian‘, 23.1.)

Berlin (dpa) — Irakische Oppositionelle in Berlin schätzen die bisherige Zahl der Opfer des Golfkrieges in ihrem Heimatland auf bis zu eine Million. Annahmen, die von maximal 300 000 Toten ausgingen, seien „erheblich zu niedrig“, sagte der Sprecher einer Gruppe von Exilirakern am Mittwoch in Berlin. Ein großer Teil der Ziele der alliierten Bombardements liege in unmittelbarer Nähe von Wohngebieten. Als Beispiel nannte der Sprecher die inzwischen wahrscheinlich durch Angriffe der Alliierten zerstörte Fernmeldezentrale von Bagdad, in deren unmittelbarer Nähe es einen Wohnblock gebe. Die USA forderte er auf, endlich „die Wahrheit über die Opfer zu sagen“.

Die Oppositionellen traten für ein sofortiges Ende des Krieges ein und forderten Unterstützung „für den Kampf des irakischen Volkes, die Diktatur von Saddam Hussein zu beenden“. Die Chancen für einen Umsturz schätzten die Exiliraker jedoch als gering ein. Der Irak sei „eine hochentwickelte Diktatur“. Oppositionsbewegungen seien in der Vergangenheit „im Keim erstickt worden“.

Manama (dpa) — Saddam Hussein hat angeblich den Chef der Luftverteidigung des Landes erschießen lassen, weil er in der Abwehr der alliierten Luftangriffe der letzten Tage versagt habe. Die in Bahrain erscheinende Zeitung 'Al Ajam‘ berichtete am Mittwoch unter Berufung auf saudische Militärkreise, daß der ungenannte Generalmajor bereits am Montag hingerichtet worden sei. Unter Zitat derselben Quelle berichtete das Blatt, daß der irakische Brigadegeneral Dschabar el-Awadi, Kommandeur der in Kuwait stationierten Pioniertruppen, sowie ein Leutnant dieser Truppe bei alliierten Bombenangriffen ums Leben gekommen seien.

Berlin (adn) — Ernstzunehmende Indizien, wonach sich der engste Familienkreis von Saddam Hussein in der Schwiz befindet, nehmen zu. Wie die 'Bild‘-Zeitung in ihrer Mittwochausgabe schreibt, habe ein in der Schweiz lebender Exiliraker, der die Familie von Saddam Hussein persönlich kennt, versichert, er habe Frau Sajida und weitere Mitglieder der Familie „eindeutig“ am 21. Januar im Prominentenkurort Gstaad identifiziert. Die irakische UNO- Mission sei bemüht, in Genf ein Haus für einen „längeren Aufenthalt“ zu mieten. Tatsache sei weiter, daß der Vater von Frau Sajida in der Schweiz lebt, wo auch Saddam Husseins Halbbruder Barzan el-Tikriti als UN-Botschafter in Genf für den Irak tätig ist.

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