: Wie Uncle Sam und Pappa Kaisen sich Fishtown sicherten
■ Ein Buch als Puzzle über Bremen in der Nachkriegszeit / „Ohne Amerikaner keine Selbständigkeit“
“Was sich bei den Leuten in den Köpfen festgesetzt hat, ist etwas ganz anderes als das, was in den Geschichtsbüchern steht.“ Für die Historikerin Renate Meyer- Braun und ihren Kollegen Hans Jansen lebt die Bremer Nachkriegszeit vor allem durch die Spannung zwischen Politik und Alltag. Drei Jahre lang haben die beiden in Archiven geforscht und Zeitzeugen befragt. Das Ergebnis liegt jetzt als Buch vor: „Bremen in der Nachkriegszeit“.
Wie ein Puzzle kann man darin aus tausend Details auf 300 Seiten ein Nachkriegsbild zusammensetzen: Vom offiziellen Verbot der Besatzer, mit Deutschen Kontakt aufzunehmen und von Beschwerden der Bremer, die sich nach erfolgreichen Fraternisierungsversuchen über zerdrückte Kohlbeete am Werder beschwerten.
Kohlenklau und Verfassungsfragen
Von der Rückkehr der Gefangenen aus den Konzentrationslagern, die fast unbeachtet von der Öffentlichkeit eines Tages auf dem Domshof ankamen: Für sie galt das Privileg, nicht an den Einkaufsschlangen anstehen zu müssen, und wann immer sie davon Gebrauch machten, wurden sie als „Verbrecher“ beschimpft; Von den Bremern, die Kohlen klauen mußten und Kohldampf schoben, als die Politiker die Verfassungsfrage diskutierten.
Und natürlich läßt sich hier auch nachlesen, wie die Amerikaner langsam Bremen erobern: Wie ein alliierter Beschluß von 1944 Bremen zur amerikanischen Insel im britischen Besatzungsraum machte, um den Amerikanern einen Hafen zur Versorgung ihrer Armee zu sichern. Wie die Amerikaner gemeinsam mit den Bremern den Hafen freischaufeln, zunächst mit amerikannischer Pionierausrüstung eine schmale Fahrrinne freilegen und dann die Lagerschuppen instand setzen. Wie sich Kaisen an die Amerikaner heranschmeißt, um gegen die Interessen der Briten ein politisch unabhängiges Bremen durchzusetzen. Wie sich schließlich Bremerhaven mit Wesermünde verbindet und zum zentralen, amerikanischen Nachschubbasis wird. „Da die Anlagen in Bremerhaven generell nur geringfügigen Schaden erlitten hatten, stand nach Kriegsende dort für die US-Navy sofort die nötige Kapazität zur Verfügung. Fünfzig Kräne waren in arbeitsfähigen Zustand, mehr als 70.000 qm Schuppenfläche waren vorhanden.“
„Ohne die amerikanische Unterstützung“, so urteilt Autor Hans Jansen, „hätte es keine Bremer Unabhängigkeit gegeben. Sachlich und leserlich beschrieben ist diese Bremer Nachkriegsgeschichte, ohne Wissenschaftschinesisch und dennoch zuverlässig erforscht. Herausgeber Peter Kuckuck: „Ich glaube, daß es hier gelungen ist, eine untypische Bremensie zu schaffen.“ Kein bunt-bebilderter Lokal-Patriotismus, sondern die erste zusammenfassende Darstellung der Nachkriegsgeschichte, die politische Strukturen und Alltagsleben miteinander verbindet. mad
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