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Besetzungsaktion in Vilnius — Gorbatschow lenkt ein

■ Die sowjetischen Ultras rufen „Verrat!“/ Präsidialregime gefordert

Vilnius (dpa/taz) — Am Mittwoch nachmittag besetzte die Sowjetarmee das Papierlager des Verlags und Druckunternehmens Spauta (Presse) in Vilnius, nachdem das Druckhaus selbst bereits am 11. Januar okkupiert worden war. Nach der ersten erwies sich auch diese zweite Besetzungsaktion als Fehlschlag. Konnten nach dem 11. Januar die unabhängigen Zeitungen, die bei der Spauta gedruckt worden waren, an anderen Orten Litauens produziert werden, so fanden jetzt die Sowjetarmisten nur ein leergeräumtes Lager vor. Pech für die moskautreue KP Litauens, von der die Anregung zu der Militäraktion ausgegangen war.

Für Litauens Präsident Landsbergis steht fest, daß Gorbatschow mit der sowjetischen Armeeführung eine „Junta“ gebildet hat und für das Blutvergießen in Vilnius verantwortlich ist. Landsbergis meinte gegenüber 'Le Figaro‘, Litauen werde seine Unabhängigkeit durch den Aufbau eigenstaatlicher Strukturen auf friedlichem Wege erreichen. Erneut lehnte er das von Gorbatschow geforderte Referendum zur Unabhängigkeit ab, stellte aber für Februar eine „Umfrage“ in Aussicht.

Etwas weniger kategorisch äußerte sich Lettlands Präsident Gorbunow. Er berichtete, Gorbatschow habe sich ihm gegenüber von den diversen „Rettungskomitees“, die die Macht in den baltischen Staaten beanspruchen, distanziert. Gorbunow sagte, Gorbatschow habe ihn von seiner Anordnung an die Militärs unterrichtet, sich nicht in die politischen Auseinandersetzungen in den baltischen Staaten einzumischen.

Daß Gorbatschow mittlerweile auf vorsichtige Distanz gegenüber den Militärs gegangen ist, hat ihm in der Sowjetunion scharfe Kritik seitens der Ultras eingetragen. Der Abgeornete Alksnis, einer der Führer der Sojus-Gruppe im Obersten Sowjet, erklärte: „Gorbatschow hat uns verraten.“ Am Donnerstag folgte ein 'Prawda‘-Artikel des Leningrader Parteisekretärs Boris Gidaspow, des „jungen Mannes“ der Parteirechten. Gidaspow verlangte die Verhängung des Präsidialregimes über die baltischen Staaten und kündigte an, er werde diese Forderung auf die Tagesordnung der nächsten ZK-Sitzung der KPdSU setzen. Gidaspow griff Jelzin und den Leningrader Bürgermeister Sobtschak als separatistische Extremisten an. Der Oberste Sowjet der russischen Föderation setzte am Donnerstag seine Beratungen über einen Resolutionsentwurf fort, in dem die Gewaltanwendung gegen die Unabhängigkeitsbewegungen der baltischen Länder verurteilt wird. Am Dienstag war der unter Mitwirkung Jelzins entstandene Entwurf am Einspruch der kommunistischen Fraktion gescheitert, die einen eigenen Entwurf vorlegte. Jetzt wurde eine Kommission eingesetzt, um die Entwürfe zu fusionieren. Es geht um eine eindeutige Verurteilung der baltischen „Rettungskomitees“ und um die vorsorgliche Feststellung, daß die Bildung eines analogen Komitees in der russischen Föderation verfassungswidrig wäre.

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