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US-Stabschef will irakische Truppen „killen“

US-Militärs „sehr zufrieden“ nach einer Woche Krieg/ Jetzt beginnen massive B-52-Bombardierungen auf irakische Militärstellungen in Kuwait/ Proteste erwartet  ■ Aus Washington A. Zumach

„Erst schneiden wir sie ganz vom Nachschub ab, dann töten wir sie“, so US-Generalstabschef Powell auf einer Pressekonferenz am Mittwoch in Washington über die Strategie der gegen den Irak alliierten Streitkräfte für die nächsten sieben Tage. Über den Verlauf der ersten Kriegswoche äußerten sich Powell und Pentagon- Chef Cheney zwar „sehr zufrieden“; bis „mindestens Anfang Februar“ seien aber weiterhin Luftangriffe in der bisherigen Größenordnung von täglich 2.000 Flügen „notwendig“. Ziel der Operation: den bereits „weitgehend unterbrochenen“ Material- und Nahrungsmittelnachschub aus Bagdad und Basra für die irakischen Truppen in Kuwait „völlig zu unterbinden“ und dann die Stellungen dieser Truppen zu zerstören. Erreicht werden soll dies vor allem durch massive Flächenbombardements mit B-52-Bombern.

Die „Erfolge“ der rund 12.000 Luftangriffe seit dem 16.Januar laut Powell und Cheney: Nach der „weitgehenden Ausschaltung“ der aus Boden-Luft-Raketen und Artilleriestellungen bestehenden irakischen Luftabwehr sowie der Zerstörung der meisten Flugplätze und der für Starts und Landungen nutzbaren großen Straßen habe man nun die „Lufthoheit über den Irak“ erobert. Nur zwölf Flugzeuge hätten die Alliierten dabei verloren. Auf Fragen hin wurde eingeräumt, daß Flugplätze „binnen 24 Stunden“ repariert und wieder funktionstüchtig zu machen sind. Bis zu 750 der laut Cheney 800 irakischen Kampfflugzeuge habe der Irak in unterirdischen, gehärteten Bunkern versteckt. Washingtoner Gerüchte, wonach 215 Flugzeuge des Irak im Iran stehen, wollte Cheney nicht bestätigen.

Die beiden irakischen Atomreaktoren, in denen Aktivitäten zur Herstellung von Atomwaffen vermutet wurden, sind nach Angaben von Powell „völlig vernichtet“ worden; ebenso die „Produktions- und Abfüllanlagen für Chemiewaffen“ und eine Fabrik für biologische Waffen. Es müsse jedoch davon ausgegangen werden, daß der Irak mit chemischen Sprengköpfen bestückte Artilleriegranaten und Raketen in „hunderten unterirdischer Bunker“ gelagert habe. Die irakische Regierung protestierte inzwischen gegen die Zerstörung der angeblichen B-Waffenschmiede. Bei dem direkt an der Straße zwischen Bagdad und Basra gelegenen Gebäude habe es sich um eine Fabrik für Babynahrung gehandelt. „Hier wurde genauso wenig Babynahrung hergestellt wie im libyschen Rabta Aspirin“, reagierte Powell auf den irakischen Protest. Das Gebäude sei von Stacheldrahtzaun umgeben und von mehreren bewaffneten Posten bewacht gewesen. Dies konnte der CNN-Reporter Peter Arnett allerdings nicht bestätigen. Er hatte das Gebäude noch kurz vor seiner Zerstörung besichtigt.

Powell und Cheney erklärten, der Irak verfüge nicht nur weiterhin über mobile, sondern auch noch über fest installierte Scud-B-Raketenstellungen. Ihre Zahl sei ebenso unbekannt wie die der noch vorrätigen Raketen. Bei der geplanten Zerstörung dieser Waffensysteme habe es „größere Probleme gegeben als erwartet“. Verantwortlich für „gewisse Verzögerungen“ bei den Luftkriegsoperationen sei auch „das zeitweise schlechte Wetter“ gewesen. Bei allem zur Schau getragenen Optimismus wollte Cheney nicht ausschließen, daß „Saddam Hussein noch böse Überraschungen“ bereithalte.

Mit ihrer über einstündigen Pressekonferenz, bemühten sich Cheney und Powell, das wachsende Mißtrauen der Journalisten angesichts der bisher sehr widersprüchlichen und informationsarmen Mitteilungen des Pentagon auszuräumen. Außerdem wollten sie der in Washington immer lauter werdenden Forderung nach einem baldigen Einsatz von Bodentruppen gegen den Irak begegnen.

Diese Forderung kommt bislang vor allem von Kongreßmitgliedern und von Militärexperten außerhalb der Bush-Administration. Sie verweisen darauf, daß die USA noch nie einen Krieg ausschließlich durch den Einsatz der Luftwaffe gewonnen hätten. Die wochenlange massive Bombardierung der — ohne eigene Kampfflugzeuge gegen Angriffe aus der Luft weitgehend wehrlosen — irakischen Truppen in Kuwait könne außerdem starke internationale Proteste hervorrufen. Genau diese Befürchtung hat die Bush-Administration aber mit Blick auf die eigene Bevölkerung, falls es bei einem Bodenkrieg zu starken Verlusten unter den US-Soldaten kommt. Nach Ansicht von Cheney und Powell, denen der Präsident die militärisch-operationalen Entscheidungen im Golfkrieg weitgehend überlassen hat, sollen Angriffe mit Bodentruppen daher — wenn überhaupt — frühestens erfolgen, nachdem die irakischen Truppen in Kuwait „völlig isoliert“ und ihre „Munitions-, Nahrungsmittel- und Wasservorräte zerstört bzw. aufgebraucht sind“. Wie lange diese Vorräte reichen, ob für Wochen oder für viele Monate, darüber sind sich die militärischen Aufklärungsspezialisten der gegen den Irak verbündeten Staaten nicht einig.

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