Gewissenskonflikt

■ Zu der Forderung nach Bundeswehrschutz für Israel KOMMENTARE

Der sozialdemokratische Oberbürgermeister von Wiesbaden, Achim Exner, hat mit seinem Vorschlag, Einheiten der Bundeswehr zum Schutz Israels in den Nahen Osten zu verlegen, auch in seiner eigenen Partei einen Sturm der Entrüstung provoziert. Aber hat Exner mit seinem provokativem, weil nicht verfassungskonformem Vorschlag nicht nur in letzter Konsequenz die bundesdeutsche Mitverantwortung für den furchtbaren Krieg am Golf gegeißelt und bewaffnete Wiedergutmachung eingeklagt?

Israel lebt unter der Drohung eines Angriffs mit Giftgas, über das der Agressor Hussein nur deshalb verfügt, weil vor allem deutsche Firmen keine Skrupel hatten, den Irak in die Lage zu versetzen, diese verheerenden Chemiewaffen zu produzieren. Auch könnten die irakischen Raketen sowjetischer Bauart Tel Aviv und Haifa nie erreichen, wenn nicht deutsche Spezialisten deren Antriebssystem verbessert hätten.

Mit dem Argument: es waren doch die deutschen Rüstungslieferanten, die mit Saddam Hussein tödliche Geschäfte gemacht haben, kann die Friedensbewegung die Frage nach der moralischen Mitverantwortung nicht abweisen. Hat nicht Israel Anspruch auf eine mehr als nur monetäre deutsche Hilfe gegen einen fanatischen Diktator, dessen oberstes Kriegsziel es ist, den Staat Israel von der Landkarte zu radieren?

Daß in Sachen Golfkrieg die griffige Formulierung „Kein Blut für Öl“ nicht allen Aspekten dieses Krieges gerecht wird, wissen auch die Menschen, die in ganz Deutschland für den Frieden demonstrieren. Das Schlachten am Golf läßt auch keinen Raum für einfache Weltbilder: Die Forderung nach einem Abzug aller alliierten Streitkräfte aus der Golfregion ist ein „zweischneidiges Schwert“. Soll Israel dann tatenlos zusehen, wie Saddam Hussein in seinen Atomreaktoren die Plutoniumproduktion probt, die Start- und Landebahnen für seine Kampfflugzeuge repariert und sein Arsenal an B- und C-Waffen massiert?

Die deutschen Waffenhändler — und mit ihnen die den Waffenhandel tolerierende Bundesregierung — haben nicht nur den mörderischen Krieg erst möglich gemacht. Sie haben auch die Bevölkerung dieses Landes, deren Friedenssehnsucht echt ist, in einen verzweifelten Gewissenskonflikt gestürzt. Es war dieser Konflikt, der Achim Exner veranlaßt hat, laut auszusprechen, was viele friedensbewegte und geschichtsbewußte Menschen — angesichts der Beschwörung einfacher Weltbilder — bislang nur im privaten Kreis äußerten: Wir haben die moralische Pflicht, den Israelis in dieser tödlichen Auseinandersetzung beizustehen. Klaus-Peter Klingelschmitt