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Golfkrieg dominierte Koalitionsparteitag

Grüne in Hessen suchen mehrheitsfähige Position zum Golfkrieg/ Stadtrat Michael Brumlik droht mit Parteiaustritt  ■ Von Klaus-Peter Klingelschmitt

Neu-Isenburg (taz) — Daß die hessischen Grünen mit satten Mehrheiten einem Antrag ihrer Landtagsgruppe folgen und damit die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen mit der SPD zur Bildung einer Koalition auf Landesebene sanktionieren würden, stand für die rund 600 Parteimitglieder, die sich gestern in Neu-Isenburg bei Frankfurt versammelt hatten, vorher fest.

Auf ihrem Parteitag beschäftigten sich die Grünen ausführlich mit dem Golfkrieg und dem Dauerkonflikt um die Zukunft der baltischen Staaten. Vor allem in der Golfkriegsdebatte wurde um eine einvernehmliche Position hart gerungen. Eine Gruppe um den Frankfurter Stadtrat und Mitglied der jüdischen Gemeinde Frankfurts, Brumlik, und den Multikulturdezernenten der Mainmetropole, Cohn-Bendit, forderte Solidarität mit Israel. Die Sicherheit Israels könne zur Zeit nur bewaffnet garantiert werden, meinte Brumlik. In diesem Zusammenhang befürwortete Brumlik die Lieferung deutscher „Patriot“-Abwehrraketen an Israel, denn Israel werde von „unserem Giftgas“ bedroht. Der deutschen Linken warf er in Sachen Pazifismus Doppelzüngigkeit vor: Vor zwanzig Jahren habe man den bewaffneten Kampf des Vietkong unterstützt, danach Geld für Waffen für El Salvador gesammelt und heute erachte es die Linke für legitim, daß sich der ANC in Südafrika die Option auf den bewaffneten Freiheitskampf offenhalte. Wenn es um Israel gehe, mache sich ein fundamentalistischer „Gesinnungspazifismus“ breit.

Den Positionen Brumliks und anderer setzten vor allem die Galionsfiguren des fundamentalistischen Flügels der Partei die Ablehnung jeglicher kriegerischer Handlungen am Golf und anderswo entgegen. Der beste Schutz für Israel, so Manon Tuckfeld für die Radikalökologen, sei der Friede im Nahen Osten. Jutta Ditfurth sprach davon, daß sich der „pazifistische Anspruch“ der Grünen gerade im akuten Konfliktfall zu bewähren habe. Ehe sich die Positionen verhärten konnten, sorgte Joschka Fischer mit einem Vermittlungsvorschlag für einen gemeinsamen Antrag zum Golfkrieg für Entspannung. Er erhielt auch den Beifall der Radikalökologen, als er die „politische Ächtung“ von Giftgaslieferanten und anderen Rüstungsexporteuren einklagte und die „Enteigung der Händler des Todes“ forderte. Fischer: „Wer Giftgas exportiert, der betreibt Beihilfe zum Völkermord.“ Nach Fischers Einlassungen setzten sich die Fürsprecher der beiden konkurrierenden Anträge zusammen und entwickelten ein Konsenspapier. Sowohl das Existenzrecht Israels soll garantiert als auch die Schaffung eines Palästinenserstaates wird gefordert. Die hessischen Grünen verlangen einen Waffenstillstand am Golf, damit im Rahmen einer Nahostkonferenz ein Friedensplan für die gesamte Region erarbeitet werden könne. Dennoch blieb am Ende der Konsensdebatte im kleinen Kreis eine entscheidende Frage für eine Kampfabstimmung übrig: Sollen deutsche „Patriot“-Raketen nach Israel geliefert werden? Eine knappe Mehrheit der Versammelten lehnte das zunächst ab. Michael Brumlik kündigte danach seinen Austritt aus der Partei und die Niederlegung seines Stadtratmandats an. Auch die Grünen, so Brumlik, würden sich um Juden nur dann kümmern, „wenn sie bereits tot sind“. Der Parteitag zeigte sich betroffen. In der anschließenden Debatte einigte man sich darauf, daß Israel „Anspruch auf Schutz“ habe, auch wenn es ein bewaffneter sei.

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