: Zehn Tage Ausgehverbot
■ Internationale Hilfsorganisationen beklagen die schweren Behinderungen, denen die PalästinenserInnen in den besetzten Gebieten ausgesetzt sind
Berlin (taz) — 1,7 Millionen palästinensische Männer, Frauen und Kinder — die gesamte Bevölkerung der West Bank und des Gaza-Streifens — stehen seit dem 17. Januar unter Ausgangssperre. Sie können ihre Häuser seitdem praktisch nicht verlassen. Wer der Ausgangssperre zuwiderhandelt, muß mit schweren Strafen rechnen. Die Höchststrafe wurde am 22. Januar auf 30.000 israelische Shekel und fünf Jahre Haft festgelegt. Wiederholt haben Militärs auf PalästinenserInnen geschossen, auch haben bewaffnete jüdische Siedler, für die die Ausgangssperre nicht gilt, sie willkürlich angegriffen. Die seit 1967 besetzten Gebiete sind zu „geschlossenen militärischen Zonen“ erklärt worden, was bedeutet, daß sie niemand, auch keine Journalisten oder Beobachter von internationalen Organisationen, von außen betreten darf.
Über die Auswirkungen dieser Politik wurde am Donnerstag letzter Woche in Jerusalem auf einer Pressekonferenz von 30 unabhängigen europäischen und US-amerikanischen Hilfsorganisationen berichtet. Ein Bericht darüber erreichte uns durch das „alternative Informationszentrum“ in Jerusalem. Die Ausgangssperre sei bisher nur für kurze Zeit und begrenzte Örtlichkeiten aufgehoben worden, hieß es.
Als besonders schwerwiegend werteten die Hilfsorganisationen, daß der palästinensischen Bevölkerung der Zugang zu Erste-Hilfe-Einrichtungen und Krankenhäusern verweigert wird. Der Transport von Patienten in Notfällen wird oft von israelischen Militärs behindert. Obwohl einige Ärzte Erlaubnis haben, sich auch während der Ausgangssperre frei zu bewegen und obwohl einigen Hospitälern und Gesundheitseinrichtungen vor allem in den Städten normal zu funktionieren gestattet wurde, bleibt dies insgesamt sehr begrenzt. Vielen Krankenhäusern und Ärzten wurden derartige Genehmigungen verweigert.
In den Dörfern und Flüchtlingslagern ist die Lage besonders ernst. Dort gibt es vor allem ambulante Kliniken, und die dort tätigen Ärzte, die oft weit entfernt wohnen, konnten sie nicht weiter betreiben. Zusammengefaßt bedeutet dies, daß viele Menschen, die medizinische Hilfe benötigen, sie nicht erhalten können; Menschen mit akuten und schweren Erkrankungen oder auch schwangere Frauen leiden unter der Rigidität, mit der die Ausgangssperre durchgesetzt wird.
Die Ausgangssperre verursacht darüber hinaus schwere wirtschaftliche Nachteile und Schwierigkeiten für die Palästinenser. Viele konnten ihre Arbeitsplätze nicht erreichen und mußten große Einbußen ihres Einkommens hinnehmen. Sollte das Ausgehverbot noch lange fortdauern, wird ein großer Teil der Bevölkerung nicht mehr das zum Überleben Notwendige kaufen können.
In der Landwirtschaft ist bereits erheblicher Schaden entstanden. Dies ist der produktivste Sektor der palästinensischen Ökonomie; den Bauern ist es nicht möglich, ihre Felder zu bewässern, zu spritzen, zu ernten oder ihre Produkte zu Markte zu bringen. Wenn die Behinderungen andauern, wird die diesjährige Ernte verloren sein; den Herden droht Hunger. Die entstehenden Verluste werden von palästinensischen Ökonomen auf 50 Millionen Dollar pro Woche geschätzt.
Auch die Vermarktung von Lebensmitteln wie Milch, Babynahrung, Mehl, Zucker und Brot ist erheblich erschwert, in einigen Städten und in vielen Dorfläden ist kaum mehr etwas zu haben.
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