: Auf nach Marseille!
■ Ein Spendenaufruf für friedensgequälte Kritiker
Der deutschen Presse entnehmen wir, daß jene Kritiker, die oft & gern & nur allzu berechtigt darüber stöhnen, die gemästeten und zu Tode subventionierten deutschen Bühnen wüßten nichts Neues mehr zu zeigen, aufs neue, so es denn eintrifft, doch nicht allzu neugierig sind. Die deutschen Bühnen, so der 'Spiegel‘ gewohnt gallig, „scheuten nun keine Mühe und keine Lächerlichkeit, um ihren unbändigen Friedenswillen zu demonstrieren. Offensichtlich braucht der saft- und kraftlose Subventions-Opportunismus hin und wieder ein Protestprofil, und die Gelegenheit scheint günstig: mit dem Gratismut zum Frieden.“ Und Gerd Stadelmeier von der 'FAZ‘ klagt darüber, Heinrich V., Der tolle Tag und andere Klassiker nicht erneut genießen zu dürfen. Er wird statt dessen gequält mit Bibel, Koran und „demonstrierter Moral“, die er sofort als falsche entlarvt: „Denn ginge es den Bühnen wirklich um den Krieg und dessen Schrecken, dann hätten sie damals, als in Afghanistan ein grausames Schlachten wütete, auch ihre Spielpläne geändert.“
Für Herrn Stadelmaier, die Kollegen vom 'Spiegel‘ und alle anderen, die sich auf den Parkettplätzen zu Tode langweilen, stellen wir beiläufig fest: derzeit finden weltweit 24 Kriege statt, mit richtigen Toten, richtigen Wunden und was sonst noch dazugehört. Der offenbar irritierende Protest der Öffentlichkeit ausgerechnet gegen den Golfkrieg mag unter Umständen damit zusammenhängen, daß die deutsche Wirtschaft & Bundeswehr teils Anteil und teils teilnehmen, was in Kambodscha beispielsweise nicht der Fall ist. Die Kollegen in der zur Waffenschmiede umfunktionierten Hellerhofstraße, die warnend feststellen, daß bei den Deutschen „die Angst vor dem Krieg größer ist als die Liebe zur Freiheit“, könnten unter Umständen dazulernen: In der 'FAZ‘ ist die in deutschen Theatern von „Kriegsgewinnlern im Kostüm von Angsthasen“ verlesene Liste der deutschen Exportfirmen, die am Tod am Golf munter bis in diese Tage hinein verdienten, nicht veröffentlicht worden. Trotz alledem stehen wir nicht an, für pazifismusmüde Kollegen zu sammeln, auf daß sie ein Ticket nach Marseille erstehen können: dort hat die staatliche Bühne wegen des Golfkrieges die vorgesehene Aufführung von Genets Les paravents vorläufig abgesetzt — das Stück sei antimilitaristisch. es
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