: Türöffner für die deutsche Rüstungsindustrie
Der neue Wirtschaftsminister Jürgen Möllemann (FDP) ist genau der richtige Mann, Rüstungsexporte in den Nahen Osten zu unterbinden/ Kontakte in der Industrie und zu den Abnehmern sind exzellent/ Seine Emissäre waren gern gesehen ■ Von Thomas Scheuer
Der Golfkrieg hat Zollfahnder, Staatsanwälte und Politiker mächtig auf Trab gebracht: Die Liste der Firmen und Händler, die jetzt so plötzlich von Zollfahndern und Staatsanwälten wegen illegaler Waffen- oder High-Tech-Lieferungen in den Irak hart rangenommen werden, wächst täglich. Doch die Hektik der Ermittlungsbehörden, streckenweise eine Show fürs Publikum, wird in den meisten Fällen früher oder später enden wie das Hornberger Schießen: Vor dem Kadi drohen den meisten Schiebern lediglich Bußgelder wegen einer Ordnungswidrigkeit. Nur ganz schwere Fälle ahndet das Außenwirtschaftsgesetz mit Haftstrafen von bis zu drei Jahren. Das soll sich ändern: Ganz Bonn schreit im Chor nach drastischer Verschärfung der Exportbestimmungen.
Dirigiert werden soll das Unterfangen ausgerechnet von einem, der sich in der Vergangenheit immer wieder um deutsche Rüstungsexporte in den explosiven Nahen Osten verdient gemacht hat: dem frischgebackenen Wirtschaftsminister Jürgen Möllemann.
Kaum vereidigt, kündigte der routinierte Polit-Entertainer — dieses Mal sichtlich widerwillig und mißmutig — Initiativen gegen illegale Waffenexporte an. Dabei weiß Möllemann ganz genau, daß das Gros deutscher Rüstungsgüter gar nicht illegal in den Irak geschmuggelt, sondern höchst offiziell dorthin geschippert wurde.
Den Interessen deutscher Rüstungsschmieden zeigt sich Möllemann seit Jahren eng verbunden. Als Präsident einer deutsch-arabischen Freundschaftsgesellschaft redet er seit Jahren einer offensiveren Waffenexportpolitik gegenüber dem Nahen Osten das Wort. Arabien ist bevorzugtes Zielgebiet deutscher Waffenproduzenten: Der Bedarf ist groß; die Konten der Kunden sind mit Petro-Dollars gut gedeckt. Als die Bundesregierung vor Jahren aus Rücksicht auf Israel den Verkauf des Kampfpanzers „Leopard 2“ an Saudi-Arabien verhinderte, konterkarierte der FDP-Karrierist Bonns Hemmungen mit dem makabren Wort: „Leo muß man auf arabisch von rechts nach links lesen — Oel!“ Seine Lobbytätigkeit für die Kriegsmaterialbranche, seinen kurzen Draht zu deutschen Waffenhändlern und deren arabischen Klienten hat der 'Spiegel‘ Anfang der 80er Jahre mehrfach detailreich belegt. Irakischen (!) Diplomaten etwa ordnet das Hamburger Magazin die Aussage zu, Möllemann habe Bagdad mehrmals geholfen, „Dinge zu bekommen, die wir manchmal nur unter sehr schwierigen Umständen erhalten hätten. Auch wenn wir Schwierigkeiten mit dem Auswärtigen Amt hatten, ebnete er uns den Weg.“
Im Außenministerium, daß bei heiklen Exporten vom eigentlich zuständigen Wirtschaftsministerium um Stellungsnahme angegangen werden muß, fungierte Möllemann damals als Staatsminister.
Irakische Diplomaten berichteten von Anrufen Möllemanns, bei dem deutsche Firmen vorstellig geworden waren, die Probleme mit Exportlizenzen für den (damals im Krieg mit Iran befindlichen!) Irak hatten. Bisweilen soll sich Möllemann gar direkt in Problem-Exporte eingeschaltet haben. Ein Iraki 1984 zum 'Spiegel‘: „Natürlich, ein Emissär von Möllemann wird immer sehr gern in unserer Botschaft gesehen.“ Der FDP-Mann rühmte sich selbst als einer, der hiesigen Firmen gerne im Orient „die Türen aufmacht“.
Bei seinem langjährigen Lobbyengagement hatte der Türöffner Möllemann nicht nur die Bilanzen der deutschen Exportwirtschaft, sondern auch den eigenen Kontostand im Auge. Im Rahmen der Parteispendenaffäre fanden Steuerfahnder zufällig heraus, daß Möllemann 1978/79 mit 60.000 Mark Jahressälar auf der Gehaltsliste der Firma „Projektierung Chemische Verfahrenstechnik“ (PCV) stand, die damals zum Flick-Konzern gehörte. Noch als der PR-Spezialist in eigener Sache ab 1976 gleichzeitig im Außen- und im Verteidigungsausschuß des Bundestages saß, war er stiller Gesellschafter der Münchner Werbeagentur „PR + Text“. Deren Dienste bot Möllemann fleißig sowohl deutschen Rüstungsfirmen als auch nahöstlichen Botschaften und der PLO an.
In völligem Interessengegensatz zu seiner bisherigen Kundschaft soll der Genscher-Zögling jetzt also die bislang stumpfe Exportkontrolle effizient machen; er soll bewerkstelligen, was schon seine Partei- und Vorgänger im Amt, Bangemann und Haussmann, erfolgreich abgewürgt hatten. Zwar wurde nach der Affäre um die Giftgasfabrik im libyschen Rabta das Kriegswaffenkontrollgesetz wie das Außenwirtschaftsgesetz dezent verschärft, ihre Neufassung gar als weltweit vorbildlich gepriesen. Doch spätestens durch die Endlosenthüllungen über die Irak-Orgien deutscher Rüstungsdealer sind sie als zahnlos entlarvt. Quer durch die Parteien wird jetzt wortgewaltig die Verschärfung der eben erst verschärften Gesetze eingeklagt.
In der ganzen Debatte um die überfällige Reform der Exportkontrolle wird zielgenau unterschlagen, daß es in diesem Bereich nicht an kriminaltechnischen Möglichkeiten mangelt, sondern bislang schlichtweg der politische Wille fehlte. An rechtzeitigen Hinweisen auf deutsche Beteiligung an Massenvernichtungswaffen im Ausland hatte es schließlich nie gefehlt.
Bei illegalen Rüstungsexporten geht es um hochgradige Wirtschaftskriminalität, die oftmals nur die Fortsetzung legaler Exportgeschäfte mit anderen Mitteln sind. Ihre Aufklärung erfordert Spezialisten, die internationale Akkreditive und Frachtpapiere entziffern können. Daß sowohl das Bundeskriminalamt als auch das Zollkriminalinstitut solche Experten hat, bewiesen diese Ämter mit einer sauber recherchierten Beweiskette im Prozeß gegen Rabta-Regisseur Jürgen Hippenstiel-Imhausen. Man muß die Fahnder eben von der politischen Leine lassen.
Der Name Möllemann steht, so sah es vor Jahren mal die 'Süddeutsche Zeitung‘, „für den Opportunismus in der Politik, für Mangel an Tiefgang, für Käuflichkeit“. Vielleicht braucht es ja gerade für die Reform der Exportkontrolle so einen skrupellosen Wendehals.
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