: Kalter Verwaltungsakt
■ Pflegereferat schmerzhaft auseinandergerissen KOMMENTAR
Ganz beiläufig kam es gestern daher: Wenn in Zukunft zwei Verwaltungen für die Bereiche Gesundheit und Soziales zuständig sind, wird auch das unter rot-grün realisierte Pflegereferat auseinanderdividiert. Doch hier wird auseinandergerissen, was eigentlich zusammen gehört — denn was auf den ersten Blick wie ein reiner Verwaltungsakt anmutet, ist in Wahrheit ein heftiger Tritt ins Kreuz sämtlicher Pflegekräfte, egal, ob sie nun Alte und/oder Kranke versorgen. Ansprechpartner auf Verwaltungsebene und gemeinsame Basis aller Pflegekräfte sollte das Pflegereferat sein, jetzt jedoch werden genau diese Grundfeste erschüttert — ein Rückschritt für alle, die auf pflegerische Hilfe angewiesen sind oder es irgendwann einmal sein werden (Auf wen trifft das nicht zu?). Unter heftigen Geburtsschmerzen war das Pflegereferat in der letzten Legislaturperiode zu Welt gekommen. Verbal von Frau Stahmer kräftig unterstützt, gaben alle Beteiligten dem gemeinsamen Kind umfassende Erwartungen mit auf den künftigen Lebensweg: Ein prachtvolles Wesen sollte das Neugeborene werden, mit dessen Hilfe den Kranken- und AltenpflegerInnen endlich die Anerkennung zuteil wird, die ihnen gebührt. Mit dessen Hilfe gemeinsame Pflegekonzepte für Alte und Kranke, zu Hause, im Pflegeheim oder im Krankenhaus entwickelt werden können. Und irgendwann vielleicht endlich die nötige Reform im Gesundheits- und Sozialwesen eingeläutet wird.
Die ehemalige und künftige Sozialsenatorin muß sich fragen lassen, wie lieb ihr dieses Kind namens Pflegereferat tatsächlich war. Möglicherweise waren die mit dem Referat verbundenen Erwartungen von Anfang an zu hoch gespannt. Potentiellen wegweisenden Reformen jedoch wurden mit dem chirurgischen Schnitt zwischen Gesundheit und Soziales jeglicher Sauerstoff entzogen. Wer sich darüber freut, wie möglicherweise die von vornherein skeptischen VertreterInnen der Altenpflege, feiert allenfalls einen Phyrrussieg. Das Verwirrspiel kann beginnen: Altenpflege fällt nun unter die Zuständigkeit der Sozialsenatorin, für die Krankenpflege ist der Gesundheitssenator verantwortlich. Absurderweise aber nur halb: Da die Sozialstationen in den Bereich der Sozialsenatorin fallen, ist für die ambulante Krankenpflege wiederum sie zuständig. Spätestens hier wird klar, mit welch lascher Intensität nur Ingrid Stahmer um den Erhalt dieses Referats und damit auch um den Verbleib der Ressorts Gesundheit und Soziales in einer Verwaltung gekämpft haben kann. Inhaltliche Interessen und soziale Bedürfnisse, die Ingrid Stahmer immer so gern betont, dürften bei dieser Entscheidung keine Rolle gespielt haben — sonst würde dieses so sinnvolle, über zehn Jahre geknüpfte Netz zwischen Gesundheit und Soziales — samt des von allen Parteien einschließlich DGB geforderten Pflegereferats — nicht mutwillig zugunsten von Parteienproporz und kleinkariertem Personalgerangel zerstört werden. Martina Habersetzer
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