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„Die Amerikaner sind Kriegsverbrecher“

■ „Explosiv“, RTLplus, 29. 1., 21.50 Uhr

Kein Vorwurf und schon gar kein Antiamerikanismus, beeilt sich Moderator Olaf Kracht zu versichern — nur eine Feststellung im deutschen Fernsehen, dem privaten. Die Amerikaner bombardierten die Forschungsreaktoren im irakischen Atomforschungszentrum Tuwaitha und haben so die internationalen Regeln des Kriegsspiels verletzt. „Zum ersten Mal in der Geschichte sind laufende Reaktoren bombardiert worden in voller Kenntnis des Risikos für ein Tschernobyl 2.“ Die Bomben fielen, trotz der Abkommen, die eben dies verboten. RTLplus erklärt die Logik des Kriegsspiels. Explosiv-Moderator Olaf Kracht zeigt sie in Clipformat.

Die Assoziationskette läuft: Radioaktive Wolken ziehen über das Land — verseuchte Molkeberge und keine türkischen Rosinen mehr. In Gedanken noch bei Molkebergen flimmern Explosiv-Bilder über die Mattscheibe, offenbar vom US-Militär freigegeben. War das der Reaktor? Die Frage war wohl unerheblich, sie mußte deshalb auch nicht beantwortet werden. Statt dessen aus dem Redaktions-Off: Der Reaktor ist (war) zwar nur ein tausendstel so groß wie der in Tschernobyl, strahlt aber schon seit 20 Jahren vor sich hin. Wo, auch unerheblich! 25 Kilometer südlich der Millionenstadt Bagdad, wie hart ist die Bevölkerung betroffen? Olaf Kracht blickt ohne Antwortversuch durch die Brille. Bilder und Moderation von RTLplus suggerieren, daß der laufende Reaktor total zerstört worden ist. Aber Fragen nach den Opfern verdürben die Story. Sie gilt einzig den Spielregeln, der Unterscheidung zwischen anständigem und unanständigem Krieg. Und dieser amerikanische Schachzug war unanständig. RTLplus weist die Regelverletzung nach — minutiös.

„Krieg spielen“ ist das Thema in Explosiv. Die mit Moderation und Rhythmusmaschine abgesetzten Clips erwischen sie alle, die zu mogeln versuchen. Der Schweizer „Wehrpsychologe“ Jean Pierre Pauchard hat die Soldaten erwischt. Ein Teil dieser Waffe „wird psychisch versagen, wird nicht kämpfen können“. Solche „Ausfälle“ seien vorhersehbar. Soldaten werden kotzen vor Angst und kopflos die Flucht ergreifen.

„Genau falsch“, nämlich gegen die Spielregeln, hat Moderator Kracht erkannt. Der Soldat weicht nicht, er kämpft. „Panzersoldaten und Infanteristen müssen unbeeindruckt vom Inferno die Schlacht gewinnen.“ Spätere psychische Ausfälle, so der Kriegspsychologe Pauchard, sind zwar bedauerlich, werden aber am ehesten durch einen Sieg vermieden: Ein Sieg vermindere nämlich, die „nicht geringe Zahl derer, die sehr große Schwierigkeiten haben werden, mit den Kriegserlebnissen fertigzuwerden.“

Derweil geht der echte Krieg weiter — mit Militärs und ohne Spielregeln. Hermann-Josef Tenhagen

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