: „Alternative Lebensformen“ im Irak
■ Auswärtiges Amt hat „keine Nachweise für gezielte Verfolgung“ irakischer Kurden
Berlin (taz) — Kurdische Flüchtlinge aus dem Irak, die in der Bundesrepublik um Asyl nachsuchen, hatten bisher nur wenig Chancen, als politisch Verfolgte anerkannt zu werden. Grundlage für viele ablehnende Entscheidungen waren dabei Stellungnahmen des Auswärtigen Amtes über die Lage der Kurden im Irak. Wir zitieren aus einer solchen Stellungnahme, die das Auswärtige Amt dem Berliner Verwaltungsgericht am 8. November 1990 — neun Tage vor Verabschiedung des UNO-Ultimatums — zu einem dort anhängigen Asylverfahren zusandte:
Der Botschaft in Bagdad liegen in der gegenwärtigen Situation keine nachprüfbaren Informationen darüber vor, daß Kurden bei der Rückkehr in den Irak allein aufgrund ihrer kurdischen Volkszugehörigkeit politisch verfolgt würden. Das Auswärige Amt hat auch keine hinreichenden Nachweise dafür, daß die irakische Regierung die Kurden insgesamt als Volksgruppe gezielt verfolgt, um sie physisch zu vernichten und ihre Identität systematisch zu zerstören. [...] Schon ein erster optischer Eindruck bei Besuchen in kurdischen Siedlungsgebieten im Norden Iraks widerspricht der Behauptung, daß systematisch die kurdische Identität zerstört wird. [...] Bei aller — auch geheimpolizeilicher — Kontrolle durch die irakische Regierung bestehen in den Kurden-Regionen durchaus noch alternative Lebensmöglichkeiten, in denen kurdische Identität und Solidarität bewahrt werden.“
Wie medico international von Augenzeugen der „Kurdistan Front Irak“ erfahren hat, wurden die irakischen Kurden-Städte Dakuk und Bakuba, Kani Maisi und Sersenq intensiv bombardiert. Mehrfach wurden bisher die Städte Mossul und Dohok durch B-52-Langstreckenbomber attackiert. Die kurdischen Bewohner des Zwangsdeportiertenlagers Basian im Nordirak haben offen dagegen protestiert, daß inmitten des Lagers ein großes Munitionslager der irakischen Armee errichtet wurde. Die dort internierten Kurden befürchten auch eine Lagerung von Giftgas. Der Radiosender „Stimme des Volkes Kurdistans“ meldete, daß es durch Bombardements der irakischen Stadt Sulaimaniya „schwere Verluste“ in der Zivilbevölkerung gab.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen