Die PLO und der Krieg

■ Israels Zurückhaltung am Golf gilt nicht gegenüber dem Libanon

Jeder Konflikt im Nahen und Mittleren Osten spiegelte sich in den vergangenen Jahren im libanesischen Mikrokosmos mit seinen zahlreichen Parteien, Milizen, religiösen Gemeinschaften und den ebenso zahlreichen ausländischen Interessen, Geld- und Waffenströmen wider. Der Golfkrieg macht da keine Ausnahme. Die erste Folge nach dem irakischen Einmarsch in Kuwait und den Bemühungen der USA um ein internationales antiirakisches Bündnis war, daß Syrien das Bürgerkriegsland auf einem Silbertablett serviert bekam und die Tage des widerspenstigen Christengenerals Michel Aoun gezählt waren. Die zweite Folge war die schon fast übliche Serie von Anschlägen gegen ausländische Einrichtungen in Beirut, und die dritte sind die Raketen, die zunächst fundamentalistische und dann palästinensische Guerilleros am Samstag beziehungsweise Dienstag auf den von Israel besetzten Teil des Südlibanon („Sicherheitszone“) abfeuerten.

Die israelische Regierung hat auf ihre Weise gleich zu Kriegsbeginn demonstriert, daß sie dem libanesischen Sonderfall Rechnung trägt. Zwei Tage nach dem Angriff auf den Irak überflog die Luftwaffe Beirut und den Südlibanon — eine deutliche Warnung, die prompt Gerüchte über eine unmittelbar bevorstehende israelische Invasion auslöste. Wenn die israelische Regierung nach den Raketenangriffen am Dienstag sofort und massiv zurückgeschlagen hat, dann zeigt das, daß die im Golfkrieg geübte Zurückhaltung für den Libanon nicht gilt.

Dort haben der Golfkrieg und die Sympathien für Saddam Hussein die Differenzen zwischen der proiranischen, schiitischen Hizbollah und Arafats Al Fatah, die sich noch im letzten Sommer im Südlibanon bekämpft hatten, offensichtlich in den Hintergrund treten lassen. Auf palästinensischer Ebene macht der Raketenangriff indes einmal mehr deutlich, welch widersprüchliche Signale die PLO in der Frage des Krieges und von Anschlägen gegen westliche Einrichtungen von Anbeginn an ausgestreut hat. Zudem hat sich die Führung der PLO seit Beginn der Krise immer aktiv für eine friedliche Lösung des Konflikts eingesetzt und gleichzeitig Saddam Hussein ihrer zumindest moralischen Unterstützung versichert. Vor allem angesichts des sich in die Länge ziehenden Krieges stellt sich jetzt die Frage, ob die PLO nicht, zumindest in Teilen, vor einem ähnlichen Problem steht wie viele arabische Regierungen: dem der horizontalen Spaltung. Jenem Phänomen also, das in einem Auseinanderklaffen der „offiziellen“ Position und den Sympathien der Basis besteht. Beate Seel