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Akademie-Mitarbeiter gehen vor Gericht

■ Erste Klage gegen Entlassung eines Mitarbeiters der Akademie der Wissenschaften (Ost)/ Sozialplan gefordert

Mitte. Trotz erster positiver Zeichen des Wissenschaftsrates zur Zukunft einiger weniger Forschungsinstitute der Akademie der Wissenschaften (AdW) der ehemaligen DDR, bleiben große Unsicherheiten bei den Mitarbeitern. Vertreter von Personalräten aus über 50 Instituten bildeten ein Personalräteforum, um sich gegen ihren Ausschluß aus allen Entscheidungsgremien zu wehren. Sie beklagen die massenhaften Kündigungen aus — wie es im Einigungsvertrag heißt — mangelndem Bedarf ohne sichere Rechtsgrundlage und entsprechende Sozialpläne. Diese gibt es nicht, weil, wie ein Ministerialbeamter mitteilte, die Übergangsfinanzierung bis Ende 1991 schon ein Sozialplan wäre. Das Personalratforum fordert deshalb, die Mitarbeiter in neue Arbeitsverhältnisse zu überführen, die Möglichkeiten zur Umschulung und die Klärung von Vermögensfragen der Akademie.

Die erste Klage eines entlassenen Mitarbeiters der AdW gegen seine Kündigung wird derzeit vor dem Berliner Arbeitsgericht verhandelt. Seine Klage auf Weiterbeschäftigung dürfte Modellcharakter für rund hundert weitere Fälle haben, mit denen sich das Gericht in den kommenden Wochen zu befassen hat. Grund für die Klagen ist die Auflösung der sogenannten »Zentralen Leitungsorgane« (ZLO) der Akademie, die die rund 60 Forschungsinstitute von Berlin aus verwaltete. Die ZLO ist durch einen Beschluß der fünf neuen Bundesländer, die die Institute der Akademie übernommen haben, abgeschafft worden. Die rund 400 Mitarbeiter wurden entlassen. Ein Teil von ihnen gehört aber noch der Koordinierungsstelle an, die die Abwicklung der Akademie bis zum Ende des Jahres durchführen soll.

Die entlassenen Mitarbeiter begründen ihre Klagen damit, daß die ZLO mit dem Tag der Vereinigung und noch vor dem Länderbeschluß bereits als Einrichtung der neuen Bundesländer überführt worden sei und deshalb vorerst weiterbestehe. Die schriftlichen Kündigungen seien nicht rechtmäßig, da sie erst nach der Wiedervereinigung in Kraft getreten seien, aber noch die Unterschrift des nicht mehr zuständigen Akademiepräsidenten tragen. Zudem sei die Personalvertretung zu den Entlassungen nicht gehört worden.

Die beklagte Koordinierungs- und Abwicklungsstelle für die Institute und Einrichtungen der ehemaligen Akademie der Wissenschaften hält die Kündigungen dagegen für rechtsgültig, da für den abgesetzten Akademiepräsidenten die neuen Bundesländer als unmittelbare Rechtsnachfolger eingetreten seien.

Grundsätzlich klären muß das Arbeitsgericht, ob die Entlassenen das Kündigungsschutzgesetz in Anspruch nehmen können. Der Einigungsvertrag listet personen- und betriebsbezogene Entlassungsgründe auf, bietet aber keinen Anhaltspunkt dafür, ob sie als Ergänzung oder als kompletter Ersatz für die Regelungen des gesetzlichen Kündigungsschutzes gelten. anbau

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