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2.600 fliegen bei SEL in Ost und West raus

■ Der Elektronikkonzern entläßt nicht nur in seinem Tempelhofer Werk, sondern auch am neuen Standort im Ostteil/ Entsetzen bei Politikern

Tempelhof. Die Standard Elektrik Lorenz AG (SEL) hat die Katze aus dem Sack gelassen: 1.291 Beschäftigte aus dem Tempelhofer Fertigungswerken und 1.289 Arbeitnehmer aus den erst im Sommer aufgekauften Ostberliner Rundfunk-Fernseh-Technologie-Werken (RFT) werden noch in diesem Jahr entlassen. Die Stuttgarter Zentrale des Elektronikkonzerns umschreibt die Massenentlassungen vornehm mit »Umstrukturierung«, der Betriebsrat des Tempelhofer Fertigungswerkes, Dimitroff Mamoris, nennt den gleichen Sachverhalt »einen brutalen Kahlschlag« und die Gewerkschaft IG Metall sprach von einer »üblen Roßtäuscherei«.

Wie der Vorstandsvorsitzende der SEL, Gerhard Zeidler, gestern in Stuttgart mitteilte, sollen die Berliner Fertigungsstätten in Tempelhof »verlagert« werden. Das Quarzwerk soll im zweiten Quartal 1991 in ein nicht näher bezeichnetes Niedriglohnland, die Abteilung Bürokommunikation im dritten Quartal nach Gunzenhausen, die Abteilung Navigation nach Mannheim und die Blechfertigung Anfang 1992 nach Arnstadt in Thüringen umziehen. Von den bisher 2.245 in West-Berlin Beschäftigten verlieren durch diese Umstrukturierung 1.291 ihren Arbeitsplatz, vornehmlich Frauen und Immigranten.

Statt Telefonapparate und digitale Nebenstellenanlagen zu produzieren, will SEL in Tempelhof ihre entwicklungs- und kundenorientierten Dienstleistungen konzentrieren. Übrig bleiben soll auch die SEL-Finanz GmbH, die Geschäftsstelle und die Software OHG. In dem dann »umstrukturierten« Tempelhofer Unternehmen sollen später 1.500 Menschen beschäftigt sein.

Wie der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende Mamoris erläuterte, werden davon nur 954 aus dem Westteil der Stadt kommen, die restlichen 550 Arbeitnehmer stammen aus dem RFT-SEL Gemeinschaftsunternehmen in Ost-Berlin. Die erst im vergangenen Juli neu strukturierten RFT/SEL-Betriebe werden aufgelöst. Von den bislang 1.308 Beschäftigten des FAB-Anlagenwerkes werden 237 nach West-Berlin, aus der Entwicklung (bisher 536 Beschäftigte) 237 und aus der Zentrale in Ost- Berlin 65 MitarbeiterInnen übernommen werden. Der Rest wird auf die Straße geschickt — insgesamt also knapp 1.300 Personen. In ganz Berlin, einer ohnehin wirtschaftlich benachteiligten Stadt, vernichtet die SEL mit dem auf der Pressekonfernez stolz präsentierten »flexiblen Fertigungsverbund« rund 2.600 Arbeitsplätze.

Diese Kahlschlagpolitik stößt in Berlin auf große Empörung. Im Tempelhofer Werk ist die Stimmung, wie Mamoris, sagt »tief unter dem Nullpunkt«. Aus Protest legten am Mittwochmittag etwa 500 Beschäftigte die Arbeit für eine halbe Stunde nieder. Am kommenden Mittwoch wollen die Gewerkschaft und Betriebsratsmitglieder mit dem Regierenden Bürgermeister Diepgen (CDU) sprechen.

Übereinstimmend bezeichnen die Gewerkschaft, der Wirtschaftssenator Meisner (SPD), die Arbeitssenatorin Bergmann (SPD), die SPD-, AL- und die CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus die SEL-Konzepte als »unsolidarisch«, »rücksichtslos« oder als »einen Schlag gegen Berlin«. Das Unternehmen hat in den vergangenen Jahren jährlich rund 30 Millionen Mark an Berlin-Subventionen kassiert und tuschte mit diesen Zuschüssen ihre Defizite in westdeutschen Unternehmensbereichen aus. Das Unternehmen begründet die Schließung der Berliner Produktionsbereiche mit den »zu hohen Lohnanteils an den Fertigungskosten« und dem Preisverfall von 60 Prozent bei der Fertigung von Telefonapparaten. Anita Kugler

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