: Die magische Kraft der Ziehharmonika
■ Österreichs neuer Skistar Stefan Eberharter beschwört eigenwillige Methoden der Rennvorbereitung Auch Austrias Mädels wollten fleißig den Medaillenbeutel bei der Weltmeisterschaft füllen, aber ...
Saalbach/Berlin (taz) — „Bei dieser Heimbelastung gewinnen die Österreicher keine einzige Medaille“, unkte das ehemalige deutsche Slalom-As Armin Bittner noch zu Beginn der Titelkämpfe und hatte sich verschätzt, wie es schlimmer nicht mehr geht. 1987 hatten die Schweizer Alpenbrüder und -schwestern acht Weltmeistertitel bei ihren „Heimmeisterschaften“ in Crans Montana gewonnen. Die Österreicher haben sich nun eine ähnliche „Verurteilung“ ihrer sportlichen Gäste vorgenommen.
Weltmeistertitel Nummer vier kombinierte der 21jährige Stefan Eberharter, der souverän ins Tal zu seiner zweiten Goldmedaille nach dem Superriesenslalom wedelte. Vor den Titelkämpfen war Eberharter bei seinem besten Saisonrennen einmal Dritter beim Super-G in Garmisch und selbst bei Skifans weitgehend unbekannt. Nun rückt seine Popularität in Saalbach-Hinterglemm in volksheldähnliche Dimensionen. Davon vollkommen unbelastet, erläuterte der Zillertaler seine untypische mentale Präparation auf den entscheidenden zweiten Slalomdurchgang: „Ich habe mich in eine Ecke gesetzt und auf meiner Ziehharmonika gespielt.“ Das gefällt dem volksmusikalische Skivolk, das nun mindestens den Gesamt-Weltcup 1991 von ihm erwartet: „Ich werde das versuchen, aber ich muß locker bleiben. Wenn man sich das vornimmt, gewinnt man den Weltcup nicht.“
Der erste österreichische Kombinationsweltmeister nach Franz Klammer 1974 profitierte kräftig vom Pech des Luxemburgers Marc Girardelli, der sich zehn Sekunden vor dem Slalomziel um die Chancen auf einen Hat-Trick nach seinen WM-Erfolgen von 1987 und 1989 brachte. Gemeinsam mit dem Slalomweltmeister setzten sich auch die deutschen Berni Huber und das „Bild des Jammers“ (ZDF-Reporter Heller) Marcus Wasmeier vorzeitig zur Ruhe. Das Ziel erreichten Hansjörg Tauscher als 11. und Michael Fiala als 14.
Weltmeistertitel Nummer fünf sollte für Austrias Team nur eine Formsache sein: die Kombination der Frauen. Aber die euphorisierten Zuschauer sollte diesmal so ganz allmählich lähmendes Entsetzen erfassen. Zuerst stürzte das begnadete Multitalent Petra Kronberger schon in der Kombinationsabfahrt. Dann stolperte im ersten Slalomdurchgang die Olympiasiegerin von Calgary 88 Anita Wachter. Trotzdem ging mit der noch 20jährigen Sabine Ginther immer noch eine Österreicherin als Führende in den zweiten Slalomlauf. Aber drei Tage vor ihrem Geburtstag und genauso viele Stangen vor dem Ziel rutschte sie weg und verlor die Goldmedaille. Es unterstreicht nur die Klasse der Gastgeber, daß trotz dreier Ausfälle Ingrid Stöckl eine Medaille gewann, die silberne.
Denn Gold und Bronze eroberten sich die Schweizer Erzrivalinnen. Chantal Bournissen war nach der Abfahrt noch die unglücklichste Frau überhaupt, als sie mit elf Hundertstel Sekunden die Bronzemedaille verpaßte. Dieser Schmerz wird nach der Kombinationsgoldmedaille nicht mehr existent sein. Dritte wird die Slalom-Olypiasiegerin Vreni Schneider, die sich in der Kombi eigentlich nur für den Spezialwettbewerb warmlaufen wollte.
Miriam Vogt aus Starnberg erreicht als Vierte nicht nur die beste Plazierung für den DSV bei diesen Weltmeisterschaften, so weit vorn war in der Kombinationswertung überhaupt noch keine deutsche Allrounderin. Traudl Hächer hielt den „Landesrekord“ seit 1985 als Sechste. Juniorenweltmeisterin Katja Seizinger unterstrich als Fünfte, wie gut die Nachwuchsfahrerinnen diesmal für die Asse Gutensohn und Gerg in die Bresche sprangen. Ob es im abschließenden Slalomwettberwerb doch noch mit einer Medaille klappt, bleibt allerdings fraglich. Aber vielleicht muß das auch gar nicht sein. bossi
Ergebnisse Kombination Männer: 1. Eberharter (Österreich), 2. Ghedina (Italien), 3. Mader (Österreich), 4. Accola, 5. Locher (beide Schweiz), 6. Strolz (Österreich). Kombination Frauen: 1. Bournissen (Schweiz), 2. Stöckl (Österreich), 3. Schneider (Schweiz), 4. Vogt (Starnberg), 5. Seizinger (Halblech), 6. Zurbriggen (Schweiz)
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