: Kritische Stimmen in Israel: Bonn soll Augiasstall ausmisten
Tel Aviv (taz) — Das eingeschlafene Gewissen der vereinten deutschen Regierung wacht jetzt mit Riesengeschwindigkeit auf — wie das eben für unaufrichtige, heuchlerische Politiker charakteristisch ist, auf deren Köpfen der Stahlhelm brennt“, kommentierte die israelische Zeitung 'Maariv‘ gestern die Beschlüsse der Bundesregierung über Hilfe an Israel. „Zuerst eilte Außenminister Genscher mit einem Scheck über 260 Millionen Mark nach Israel, bei einem Besuch, der definiert wurde als Mischung einer Geste der Solidarität mit Israel unter Beschuß, und einer demonstrativen symbolischen Wiedergutmachungszahlung der Art, die Deutschland zur Perfektion gebracht hat. Später, als es mehr Anzeichen dafür gab, daß die Bonner Regierung bei Todesgeschäften von Deutschen im Irak die Augen zudrückte, hat Bonn beschlossen, Israel bei der Selbstverteidigung zu helfen (...) Das Übertünchen der Sünden ist nötig, um dem schlechten Gewissen abzuhelfen,“ schrieb das Blatt.
Ähnlich kritische Töne fielen am Vortag in der Knesset-Debatte über die deutsche Hilfe. Auch für den Abgeordneten der Arbeiterpartei, Raanan Kohen, hat die ganze Angelegenheit vor dem Hintergrund der Waffengeschäfte mit dem Irak etwas Geschmackloses an sich. Doch neben Geschenken wie die humanitäre Hilfe für Tel Aviv, müßten nun auch die bundesdeutschen Gesetze verschärft werden, damit solche Lieferungen wie an den Irak nicht mehr möglich sind, meinte der stellvertretende Außenminister Benjamin Netanyahu und fügte hinzu: „Die Augiasställe der deutschen Regierung selbst müssen ausgemistet werden. Das verlangen wir heute.“
Der erste offizielle Lufttransport militärischer Hilfsgüter aus der Bundesrepublik sollte in der letzten Nacht nach Israel abgehen. Die Bundesregierung liefert unter anderem Boden-Boden-Raketen, Gasmasken und —filter sowie mehrere Spürpanzer.
Die israelische Presse meldete gestern, daß Bonn unter anderem auch eine Batterie US-amerikanischer Patriot-Abwehrraketen zur Verfügung stellen will.
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