„Versteinerte Herzen in Bonn“

■ Neue Bundesländer vor dem Bankrott/ Kaum 20 Prozent der Etats kommen aus eigenen Steuermitteln

Berlin — Brandenburgs Finanzminister Klaus-Dieter Kühbacher (SPD) hat der Bundesregierung vorgeworfen, daß sie gegen das Gebot des Grundgesetzes — gleiche Lebensverhältnisse in allen Ländern zu schaffen — verstoße. Es komme jetzt darauf an, „die richtig versteinerten Herzen in Bonn“ aufzustoßen. Den reichen Ländern Hamburg, Hessen und Baden-Württemberg warf er vor, bei der Hilfe für die neuen Länder „völlig in der Deckung zu sein“. Schon 1992 und nicht erst 1996 müßten die neuen Länder am Finanzausgleich beteiligt werden. Die Probleme der Gemeinden habe man mangels Sachverstand beim Einigungsvertrag schlicht übersehen.

Nur Defizite in den Länderhaushalten

Überall in den fünf neuen Bundesländern blicken die Finanzpolitiker in eine düstere Zukunft. Die zum Teil vorläufigen Landeshaushalte, die in diesen Tagen in den Parlamenten debattiert werden, weisen Milliardendefizite aus. Von einer „katastrophalen finanziellen Situation“ sprechen in Mecklenburg-Vorpommern alle Parteien. Das kleinste der neuen Länder hat 1991 einen Haushalt mit einem Volumen von rund elf Milliarden Mark, sechs Milliarden Mark davon als Defizit. Ein Volumen von 15 Milliarden Mark sieht der Etat des Landes Brandenburg vor. Eine Nettokreditaufnahme in Höhe von 2,4 Milliarden Mark ist vorgesehen. Voraussichtlich im April wird aber erst die Einnahmebilanz aus der Lohn- und Einkommensteuer des ersten Quartals vorliegen. Bis jetzt geht Finanzminister Kühbacher von Steuereinnahmen in Höhe von etwa 2,8 Milliarden Mark aus. Den Rest des 15-Milliarden-Etats müßten Bund und Länder durch Zuweisungen aus dem Fonds Deutsche Einheit und Investitionszuschüsse decken.

Wesentlich besser sieht es in Sachsen-Anhalt aus. Nach Angaben von Finanzminister Werner Münch (CDU) braucht das Land in diesem Jahr keine Kredite zur Finanzierung seiner laufenden Ausgaben aufzunehmen. Der Etat umfaßt rund 9,8 Milliarden Mark. Von den Einnahmen sollen rund 2,6 Milliarden Mark aus Steuermitteln kommen, 6,75 Milliarden aus Drittmitteln — davon 5,32 Milliarden aus dem Fonds Deutsche Einheit —, etwa eine halbe Milliarde aus Verwaltungseinnahmen und rund 150 Millionen aus Einnahmen für Investitionen.

In Thüringen rechnet Finanzminister Klaus Zeh (CDU) mit einem großen Loch im Staatssäckel. Bisher gibt es in dem Land nur den Entwurf für ein „Gesetz über die Feststellung eines Teilhaushaltsplanes“. Darin wurden die Einnahmen und Ausgaben auf 2,376 Milliarden Mark festgesetzt. Erst Ende Juni soll der endgültige Haushalt vom Landtag verabschiedet werden. Das Gesamtbudget wird voraussichtlich rund 14 Milliarden Mark betragen. Nach vorsichtigen Schätzungen geht Zeh von etwa 2,2 Miliarden Mark durch Steuereinnahmen aus, es bleibt eine Deckungslücke von 5,5 Milliarden.

Auch in Sachsen gibt es für 1991 bisher nur einen vorläufigen Etat, um wenigstens die Kommunen und Landkreise versorgen und die Gehälter der Staatsbediensteten bezahlen zu können. Von den rund 20 Milliarden Mark Etatvolumen werden voraussichtlich nur knapp vier Milliarden durch Steuereinnahmen gedeckt werden können, acht Milliarden Mark werden aus dem Fonds Deutsche Einheit erwartet. Für den sächsischen Finanzminister ist längst klar, wie die Probleme gelöst werden müssen. Der reiche Westen Deutschlands müsse dem armen Osten mehr helfen, der Fonds Deutsche Einheit aufgestockt werden.

Neue Länderkoalition?

Das Saarland und die Hansestadt Bremen setzen als ärmste Länder der alten Bundesrepublik auf eine „Koalition“ mit den noch finanzschwächeren fünf neuen Ländern. Eine derartige „neue Phalanx“ im Bundesrat solle schon in den nächsten Monaten geschmiedet werden, um so die Sperrminorität von 25 der insgesamt 68 Stimmen zu erreichen und eine Neugliederung der Länder zu verhindern. Das Saarland und Bremen stecken mit Schuldenbergen von 13 bzw. 15 Milliarden Mark in „schwierigen Haushaltsnotlagen“. adn