: Noch hat es sich nicht ausgekaspert
■ Puppentheater im Ostteil verliert den Status einer städtischen Kultureinrichtung/ Unterstützung gegen »Abwicklungsbeschluß« von westlichen Kollegen: Feste Spielstätte soll erhalten bleiben
Berlin. Grimms Märchen, Das tapfere Schneiderlein, Froschkönig, Der Teufel mit den drei goldenen Haaren, Prinzessin Schneewittchen oder Frau Holle, scheinen momentan erst die einzige Gemeinsamkeit der annähernd 40 Berliner Puppen- und Figurentheater in beiden Teilen der Stadt. Während im Westteil die Akteure meist als Einzelkämpfer und höchstens als Viererteam agierten, leistete man sich auf der anderen Seite eine große Bühne mit eigenem Ensemble in Prenzlauer Berg.
In der Ex-DDR war das Berliner Puppentheater als städtische Kultureinrichtung zuletzt mit 1,4 Millionen Mark jährlich subventioniert worden. Damit soll nun Schluß sein. Seit dem 13. Dezember vergangenen Jahres wird das Haus in Prenzlauer Berg »abgewickelt« und laut Senatsbeschluß in eine landeseigene GmbH überführt. Ab Herbst spielen dort vorrangig freie Gruppen, so die Pläne. Inwieweit es dann noch hauptsächlich ein Anlaufpunkt für Kinder ist, ist unklar.
Die bereits auf die Hälfte reduzierte Ensemblemannschaft im Puppentheater zeigt sich skeptisch. Trotz nervenaufreibenden Hickhacks seit Wochen gibt sie nicht klein bei. Wegen zugesicherter Gelder für zwei Premieren bis zum Spielzeitende »rennen wir beim Senat Sturm«, versichert die Dramaturgin Christine Boyde. Für sie ist »der Kampf ums Ensemble prinzipieller Natur«. Puppenspiel als Kunstgattung wird »im Westen nicht in dem Maße geschätzt wie es ihm zukommt«. Als »Ensembletheater ist es nicht vorhanden«.
20.000 Unterschriften, die Kinder, Akteure und Eltern für den Erhalt der Spielstätte sammelten, brachten keine Revidierung der Senatsentscheidung. Mittlerweile mischen sich unter die Stimmen der Befürworter renommierte Kollegen aus dem Westteil Berlins. Thomas Roloff vom Pupparium aus Spandau schwebt seit Jahren ein »gemeinsames Spielzentrum« der Berliner Puppenspieler vor. »Wir sind dort gut, wo wir uns hingerettet haben — im Kindertheater.« Mit Angeboten für Erwachsene sei es dagegen schlecht bestellt. Roloff plädiert neben der Projektförderung des Senats zum »Überleben der Gruppen« für eine gleichzeitige »Spielstättenförderung, um den Abhängigkeitskreislauf zu durchbrechen«.
»Da soll etwas zusammenwachsen, was nie zusammengehörte«, sagt Ulrich Treu vom Puppentheater Berlin (West) zu den extremen Strukturen der Puppentheaterszene Ost- West. Er gehörte bis 1984 dem Ensemble in Prenzlauer Berg an, ehe er als »Übersiedler« hinter der Mauer sein eigenes Berliner Puppentheater in Schöneberg gründete. Vom Verband Deutscher Puppentheater werde ständig die »einigermaßen soziale Gleichstellung des Genres« angemahnt. Mit einer festen Spielstätte ließe sich in Berlin ein Anfang machen. Ein eigenes Ensemble für ein Projektzentrum könne er sich dagegen kaum vorstellen.
Wo Treu moderat bleibt, legt sich Puppenspieler Peter Waschinsky vom Büro Freie Gruppen im Ostteil Berlins scharf ins Zeug. Die »grauen bis greulichen Stücke der Puppenbeamten« in Prenzlauer Berg würden die kleinen Zuschauer langweilen. »Wenn es sie hinzog, dann war es im allgemeinen nur die Hand der Lehrerin.« Dagegen Dramaturgin Boyde: »Wo andere schlappe Zeiten haben, ist unser Haus knüppeldicke voll. Besonders freut uns die wachsende Schar Westberliner Besucher.« Obwohl man erstmals ohne Werbeabteilung auskommen müsse, sind die rund 50 Vorstellungen für Februar schon so gut wie ausverkauft.
Irma Weinreich/dpa
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