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300 gegen Kriegseinsatz, 50 dafür

■ Zwei Demonstrationen in Bremervörde / CDUler gegen Verweigerer

Ein 10.000-Einwohner-Ort zwischen Bremen und Hamburg ist in Aufruhr. Denn seit Dienstag ist klar, daß Teile der 1.100 in Bremervörde stationierten Soldaten in die Ost-Türkei verlegt werden. Gleich zwei Demonstrationen störten dann auch den verkaufsoffenen Samstag im Zentrum des sonst eher verschlafenen Ortes. Knapp 300 TeilnehmerInnen der ersten Demo auf dem Rathausplatz, zu der die Friedensinitiativen aus Stade und Buxtehude und die Bremervörder Mahnwache aufgerufen hatten, forderten den „sofortigen Waffenstillstand“. An die Soldaten richteten sie den Appell: „Verweigert jeden Kriegsdienst.“ Wie ernst die Wehrpflichtigen diese Möglichkeit bereits nehmen, berichtete der Bremer Anwalt Günter Werner den Bremervördern auf der Kundgebung: 40 Soldaten der Bremervörder Kampfstaffel haben bereits einen Verweigerungsantrag eingereicht, Werner betreut einige von ihnen.

Der Platz am Rathaus war kaum wieder frei, nachdem die Demo zur Kaserne weitergezogen war, da wagte sich auch die Bremervörder CDU auf die Straße. „Das ist für uns unüblich“, so deren Vorsitzender Meinhard Brünjes. Sie hatte immerhin 50 Demonstranten mobilisieren können, die ihre Forderungen „Wir stehen zu unserer Bundeswehr“ und „Danke U.S.A.“ in die frostige Luft hielten. Brünjes dazu: „Das ist ein Aufruf gegen Kriegsdienstverweigerung. Wir haben die Bundeswehr nicht 40 Jahre sinnlos aufgebaut. Sie ist kein Spielzeug.“

Neben dieser Demonstration der KriegsbefürworterInnen (unter ihnen auch kriegsbereite RCDS- Mitglieder) standen zwei Soldatenmütter mit ihrem Transparent auf verlorenem Posten: „Ich habe Angst um meinen Sohn. Er soll nicht für geldgierige Waffenexporteure sterben.“

„Das Dorf erwacht aus seinem Schlaf“, erklärt Stefan Decker von der DFG-VK vor Ort, der inzwischen 12 Verweigerungswillige betreut. Im Dorf findet die Diskussion über den Einsatz der Bremervörder Soldaten vorwiegend in der Kneipe statt: „Die meisten sind dabei meiner Meinung: Die Verweigerer hätten es sich früher überlegen sollen. Eine Fußballmanschaft wird auch trainiert, damit sie spielt“, weiß Wirt Jan Slomp zu berichten. Die Mehrheit der Bremervörder ließ sich durch die für sie ungewohnten Demonstrationen dann auch nicht aus ihrer Einkaufsruhe bringen. Aus einiger Distanz jedoch wagten manche neugierige Blicke.

Seit Dienstag halten 15 SchülerInnen vor dem Kasernentor in Bremervörde Mahnwache. Eine von ihnen, Kirstin Schwaiger, ist am Donnerstag in den Hungerstreik getreten: „Ich möchte die Soldaten zur Verweigerung aufrufen.“ Viele der Soldaten hätten jetzt Angst. „Einige sind zu uns herausgekommen und haben nach Adressen zur Kriegsdienstverweigerung gefragt.“ Manche unterstützen die mahnwachenden SchülerInnen in ihren zwei kleinen Zelten mit Essen und Getränken. Doch viele Anwohner machen lediglich Autoausflüge zu ihrer neuen Attraktion. Sie rollen vorbei und schauen sich den frierenden Haufen ungläubig durch die Scheiben an.

In der Kaserne selbst will sich keiner so richtig äußern: „Wir haben Angst. Doch jeder hofft, selbst nicht runter zu müssen.“ Viele denken auch über eine Verweigerung nach. Zwei Soldaten höheren Rangs sehen die Sache eindeutig: „Wir haben zwar Verständnis für die Angst der Soldaten, doch die Feuerwehr muß auch einen Brand löschen, selbst wenn sie nicht möchte.“

Hajo Oltmanns

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