Das waren noch Zeiten...

Das waren noch Zeiten, als der jetzige 'Morgen‘-Redakteur Erwin Jurtschitsch, der wegen seiner Artikel zur Stasi-Problematik gerade mit dem Wächterpreis der Tagespresse ausgezeichnet wurde, noch Norddeutschland-Korrespondent der taz gewesen ist. Der später zum Hardcore-Realo gewandelte Jurtschitsch ritt zu Anfang der achtziger Jahre extra einmal aus Hannover in die Berliner Zentrale der taz ein, um den Abdruck eines autonomenkritischen Artikels zu verhindern. Doch die Zeiten ändern sich, die Leute auch. Jurtschitsch verließ Mitte der Achtziger die taz, wurde Assistent der GAL-Abgeordneten Thea Bock. Dann arbeitete er unter Stefan Aust bei Spiegel TV, um jetzt als leitender Redakteur beim Springer-Blatt 'Morgen‘ zu schaffen. Marianne gratuliert dem Preisträger herzlich — nach der Lebensgeschichte hat er sich eine Auszeichnung verdient.

Ausgesprochenes Pech hatte dagegen ein 'Kollege‘ von Jurtschitsch. Dem stadtbekannten Reporter Christian mit der Holzkamera (Foto) wurde nämlich am vergangenen Sonntag ein nagelneues echtes Tonband geklaut. Das hatte er von seiner Oma, mit der er in Neukölln zusammenlebt, im Januar zu seinem 22. Geburtstag geschenkt bekommen (die taz berichtete). Nun ist das sündhaft teure Gerät weg, und Oma fragt schon mißtrauisch nach, wo er es denn hätte. Der Walkman wurde Christian gestohlen, als er an einer Mahnwache vor der Gedächtniskirche teilnahm. Da Marianne kaum glaubt, daß der Recorder zurückgegeben wird, bittet sie die taz-LeserInnen darum, für ein neues Gerät zu sammeln und das Geld in der Lokalredaktion vorbeizubringen. Christian bekommt sonst erheblichen Ärger mit seiner Oma. Außerdem können wir auf seine Mitarbeit in keinster Weise verzichten.

Auf die Mitarbeit des Schalck-Golodkowski-Anwalts Peter Danckert verzichtete die SPD bei der Senatsbildung. Der versierte Rechtsanwalt, erfuhr Marianne aus zuverlässiger Quelle, sei durchaus als neuer Justizsenator im Rennen gewesen, da die Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Juristen mit Justizsenatorin Jutta Limbach gar nicht mehr zufrieden ist. Danckert, der mit Momper und Pätzold per du ist, schied zum einen aus dem Rennen, weil ihm Schalck im Nacken sitzt. Zum anderen erinnerten sich viele Sozialdemokratinnen noch an Danckerts Rolle im sogenannten Gynäkologenprozeß. Er verteidigte damals zwei Ärzte, die verdächtigt wurden, eine Kollegin vergewaltigt zu haben. Die Angeklagten wurden in der zweiten Instanz freigesprochen. Daß Danckert das Vergewaltigungsopfer im Kreuzverhör ziemlich auseinandernahm, haben ihm die SPD-Frauen nicht verziehen.

Ihre Geschlechtsgenossinnen von der CDU üben sich ebenfalls in Vergeltungsschlägen. Nachdem Eberhard Diepgen keine einzige christdemokratische Frau zur Senatorin machte, will die Berliner Frauenunion mindestens fünf weibliche Staatssekretäre in Amt und Würden hieven. Ein Opfer der ausgleichenden Gerechtigkeit könnte der bisherige Neuköllner Baustadtrat Wolfgang Branoner werden. Er ist im Gespräch als Staatssekretär für Stadtentwicklung unter Senator Volker Hassemer. Jetzt seien Branoners Chancen gesunken, vermeldet der Flurfunk in Hassemers Behörde: Branoner sei weder Ostberliner noch eine Frau.