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ANC weiter für Südafrika-Sanktionen

■ Vorsichtige Reaktion auf Rede de Klerks/ „Sanktionen sollen bis zur Änderung der Apartheid-Realität beibehalten werden“/ Polizei erschießt vier Schwarze bei Demonstrationen

Johannesburg/Washington/Bonn (wps/ap/afp) — Bei verschiedenen Protesten in ganz Südafrika hat die Polizei Tränengas und Schrotgewehre gegen schwarze Demonstranten eingesetzt. Nach offiziellen Angaben starben dabei gestern vier Menschen. Am Samstag hatte ANC- Vizepräsident Nelson Mandela de Klerks Rede vom Freitag, in der er die Abschaffung wichtiger Apartheid-Gesetze angekündigt hatte, als unzureichend kritisiert. „Die Realität ist, daß die Apartheid noch in Kraft ist“, sagte er. „Wir haben noch immer kein Wahlrecht. Wir können nicht im Parlament sitzen. Die Staatsorgane sind noch immer weiß dominiert. Noch immer wird unser Volk von der Polizei belästigt, verfolgt, sogar getötet.“

Mandela appellierte an die USA, die 1986 verhängten Sanktionen „bis zur Änderung der Apartheid-Realität“ beizubehalten. Der Reformprozeß sei noch nicht unumkehrbar. Dies wäre erst der Fall, wenn „wir den Prozeß selbst kontrollieren“. In einer förmlichen Erklärung rief der ANC die Welt auf, „nicht übereilt“ die Sanktionen gegen Südafrika aufzuheben. Gleichzeitig wurde die angekündigte Abschaffung von Apartheid-Gesetzen gelobt. De Klerks „Manifest für ein neues Südafrika“ bedeute eine „grundsätzliche Abkehr vom Rahmen der Apartheid, welche Anerkennung verdient“.

Das Ausland hatte die Rede de Klerks nahezu einhellig begrüßt. Die USA zeigten sich bereits am Freitag erfreut über die Entwicklung. In Washington hieß es aber, damit der US- Kongreß die 1986 von ihm beschlossenen Sanktionen gegen Südafrika aufhebe, müsse Pretoria noch „alle unrechtmäßig ohne Prozeß oder wegen ihrer politischen Überzeugungen inhaftierten Personen freilassen“.

Die Brüsseler EG-Kommission kündigte an, bei Abschaffung der Apartheid-Gesetze sei damit zu rechnen, daß die Gemeinschaft die noch bestehenden Sanktionen aufheben werde. Allerdings steht diese Frage heute nicht auf der Tagesordnung der EG-Außenminister. Die EG hatte bereits bei ihrem Gipfeltreffen in Rom im Dezember das Verbot für Neuinvestitionen in Südafrika ausgesetzt. Großbritanniens Premierminister John Major forderte die Aufhebung der Sanktionen, die er „Restriktionen, welche Südafrikas wirtschaftlichen Fortschritt behindern“, nannte.

In Bonn erklärte Außenminister Hans-Dietrich Genscher (FDP), die Ankündigung de Klerks sei ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einem nichtrassistischen Südafrika. Auch er erinnerte jedoch daran, daß die Freilassung der politischen Gefangenen und die Straffreiheit der Emigranten Voraussetzung sei für Verhandlungen zur Ausarbeitung einer neuen demokratischen Verfassung. Der ANC hatte vergangenes Jahr der südafrikanischen Regierung eine Frist bis zum 30.April 1991 gesetzt, um in diesen Fragen einzulenken. Der SPD-Abgeordnete Günter Verheugen lobte ebenfalls die Ankündigungen de Klerks, meinte aber, es müsse weiterhin Druck auf Pretoria ausgeübt werden.

In ganzseitigen Zeitungsanzeigen appellierte Frederick de Klerk am Sonntag an die Bevölkerung, beim Aufbau eines „neuen Südafrika“ mitzuhelfen. Offensichtlich an die Weißen gerichtet, erklärte er, auch „die große Mehrheit eurer Landsleute“ wolle Gerechtigkeit, Frieden, Wohlstand und politisches Mitspracherecht: „Wenn die anderen (diese Rechte) nicht haben, könnt ihr sie auch nicht haben.“

Kommentar Seite 10

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