piwik no script img

Mehr Geld für Leipzigs Luftfilter

■ Fast zehn Jahre Braunkohletagebau-Alltag haben ihre Spuren im Leipziger Auenwald hinterlassen/ Die Aufforstung hat begonnen/ Bürgerinitiativen hatten die Kohlebagger zum Stehen gebracht

Leipzig — Ödes Land. Einzelne Bäume ragen weit in die verstümmelte Landschaft. In einer kleinen Senke nahe der Verbindungsstraße zwischen Markkleeberg und Leipzig-Großzschocher versuchen frischgepflanzte Bäumchen, der Kälte und einer wilden Deponie zu widerstehen. Die letzten Reste oder der Beginn des grünen Gürtels um Leipzig. Um den vor der heranrückenden Baggerfront zu retten, sind verschiedene Bürgerinitiativen bereits im vergangenen Jahr auf die Straße gegangen, für ihre Auenlandschaft in Leipzigs Süden.

Über 200 Hektar von der Kohle aufgefressen

Die Situation dieses Teils des Landschaftsschutzgebietes ist prekär. Hier wurden Anfang der achtziger Jahre mehr als 200 Hektar Auenwald dem Braunkohlebergbau geopfert. Und das ohne Ersatz. Erst Mitte vergangenen Jahres zwangen Bürgerinitiativen den gefräßigen Schaufelradbagger des Tagebaus Cospuden zum Stop. Bis dahin hatte er sich schon gefährlich weit in die Hartholzaue gegraben. Der Wald, der in seiner einstigen Schönheit und seinem Artenreichtum in Deutschland nur mit Gebieten am Oberrhein vergleichbar ist, wurde kleiner. Tausende auentypische Gehölze sind unwiederbringlich verloren.

Obwohl derartige Folgen des Tagebauaufschlusses Cospuden klar waren, fiel 1980 mit einem Ministerratsbeschluß die Entscheidung zugunsten der Braunkohle. Unbeachtet blieben die massiven Proteste der Bevölkerung und der Naturschützer. Schließlich, so lautete damals die lapidare Begründung, verlangen die Schwelereien in Espenhain und Böhlen nach großen Mengen Kohle. Pech, daß diese gerade im Auenboden reichlich vorhanden war. Pech vor allem für hundertjährige Eichen und Feldulmen, zarte Märzenbecher und seltene Straucharten. Leipzigs größter natürlicher Luftfilter wurde in seiner landeskulturellen Bedeutung mißachtet.

Zehn Jahre Tagebau und die Landschaft ist kaputt

Fast zehn Jahre Tagebaualltag haben ihre Spuren hinterlassen, veränderten die Landschaft völlig. Innerhalb weniger Monate fielen rund 40.000 Bäume. Jahre dauert es, ehe es hier wieder flächendeckendes Grün gibt. Obwohl der Forst und das Grünflächenamt der Messestadt gemeinsam bemüht sind, die typische Vegetation wieder anzupflanzen, ist das alte Bild vernichtet. Beispielsweise sank der Grundwasserspiegel infolge des Bergbaus ab. Die regelmäßigen auenspezifischen Überschwemmungen gibt es auch aufgrund verschiedener Maßnahmen zum Hochwasserschutz nicht mehr. „Überhaupt“, so die Leiterin des Grünflächenamtes von Leipzig, Inge Kunath, „ist es sehr kompliziert, den natürlichen Wasserhaushalt des Terrains wieder in Schwung zu bekommen.“ Der Zufluß des sogenannten Filterbrunnen- oder Grundwassers in die Auenflüsse Floßgraben und Paußnitz fällt mit der Einstellung der letzten Erdarbeiten im Tagebauloch weg. Dieses reine Naß soll dann durch weniger sauberes Elsterwasser, welches über einen künstlichen Graben geleitet wird, ersetzt werden.

„Fraglich ist vor allem, ob Flora und Fauna des angrenzenden Naturschutzgebietes im Auenwald das verkraften“, sagt Frau Kunath. Qualitative Untersuchungen seien dazu noch nie erarbeitet worden. „Wasser muß aber dem Wald auf jeden Fall künstlich zugeführt werden, denn sonst geht das Bäumesterben weiter“, erkärte sie.

Damit sind aber nur einige hauptsächliche Probleme bei der Erhaltung dieses Teils des Landschaftsschutzgebietes mit zwei Naturschutzgebieten genannt. Ein Anfang ist mit der Neubepflanzung auf rund einem Hektar gemacht. Doch die Kosten für die Aufforstungsmaßnamen überschreiten eine Million. Das Geld, das im Laufe von zehn Jahren für derlei Zwecke vom Tagebau an die Stadt gezahlt wurde, sei vermutlich, so Frau Kunath, zweckentfremdet verwendet worden. Im vergangenen Jahr half vorerst die Kommune mit einer Unterstützung von 100.000 Mark aus. Jetzt laufen verstärkt Bemühungen um Fördermittel des Freistaates Sachsen und des Bundes. Damit sollen in den nächsten zwei Jahren auf über 60 Hektar junge Bäumchen gesetzt werden. „Wie wir das schaffen, ist noch unklar“, sagt Inge Kunath. „Die Forstangestellten befinden sich momentan in der Warteschleife. Das Schweigen im Walde wurde sozusagen verordnet.“ Wann also aus dem öden Landstrich ein Erholungsgebiet wird, steht in den Sternen.

Lediglich die Arbeiten am 350 Hektar großen Badesee südlich des Auenwaldes laufen weiter. Bis Ende 1991 werden mit dem Kohlebagger die Strandbereiche im nördlichen Restloch gestaltet. Ein Naherholungsgebiet ähnlich dem Kulkwitzer See nahe Leipzig-Grünau soll dort entstehen. Der Aufforstungsbereich hingegen wird laut Inge Kunath ein „sanftes Erholungsgebiet“ ohne Betonbauten und Parkplätze. Samira Sachse/adn

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen