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Hassan auf dem Abstieg?

Bei der größten Demonstration seit der Unabhängigkeit demonstrierten in Marokko am Wochenende Hunderttausende  ■ Von Oliver Fahrni

Als sich im Herbst der marokkanische Herrscher Hassan II. auf die Seite der Nordamerikaner und Saudis schlug, schienen sich Freundschaftsdienst und schneller Gewinn in seiner Hand wieder einmal glücklich zusammenzutun. Nach dem Streit, so dachte der König, werde er am Tische des Siegers essen. Ungestört würde er die Saharaouis knuten dürfen. Und der versprochene milde Geldsegen von IWF und Ölpotentaten sollte den ärgsten sozialen Druck von seiner Herrschaft nehmen. Jetzt befördert der Golfkrieg Hassans Sturz oder zumindest seine schrittweise Entmachtung. Am Sonntag demonstrierten in Rabat zwischen 250.000 und eine Million Menschen für das irakische Volk und, erstmals auf einer zugelassenen Demo, gegen den König. Es war die größte Manifestation seit der Unabhängigkeit.

Der Marsch erstreckte sich von Bab el-Had an der Medina über vier Kilometer bis zur Place de la Victoire. Zuvorderst Arm in Arm die versammelte Opposition, zuhinterst die Islamisten, geschirmt von einem eigenen Ordnungsdienst und mit eigenen Parolen — auch dies eine Premiere. Advokaten in Robe gaben den Ton an. „USA — Feind der Völker“ riefen sie, „Mitterand Mörder und Verräter“, „Wir sind alle Iraki“. Papp-Scuds wurden gefeiert, Bush- Karikaturen verbrannt, die Fahnen der Koalition zerfetzt. Von irgendwo, hinten aus dem Zug, kam: „Unsere Kraft, unsere Waffen sind mit dem irakischen Volk.“ Der Slogan erfaßte alle, ward Leitmotiv der Demonstration.

Offene Opposition

Mit der offenen Kritik an der Präsenz von 2.000 marokkanischen Soldaten in der saudischen Wüste trotzte die Opposition dem König, der am Freitag übers Fernsehen drohte, er werde niemals zulassen, daß sein Golf-Engagement diskutiert werde. Vergangene Woche hatte Hassan II. in einer Art politischem Spagat versucht, die Bewegung über einen verordneten Generalstreik fürs irakische Volk zu entschärfen. Nun zeigte die Opposition an, daß der nationale Konsens gebrochen ist. Die Schriftstellerin und Soziologin Fatima Mernissi sagte am Rande der Demo: „Die Schmach hat uns zusammengefügt. Marokko wird nie mehr das alte Marokko sein“.

Der König galt bislang als unantastbar. Auf der Place de la Victoire sang am Sonntag das Volk ein Gedicht des Tunesiers Kacem Chabbi: „Wenn das Volk eines Tages leben will, wird die Nacht zu Ende gehen. Die Ketten werden gebrochen sein und das Volk frei und siegreich.“

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