: Einberufungsbefehl für Reisebus
■ Bundeswehr will den Bus eines Reiseunternehmers beschlagnahmen
Als die Purple-Tours-Busunternehmer Sylva und Reiner Ehlers aus Fischerhude am Dienstag morgen ihre Post öffneten, glaubten sie, nicht recht zu lesen. In einem Brief stand: „Auf Antrag der Bundesrepublik Deutschland als Bedarfsträger teile ich Ihnen mit:
1. Für Zwecke der Verteidigung haben Sie folgenden Leistungsgegenstand: Kraftomnibus, geschlossen, Amtl. Kennzeichen: VER-AW 954, Hersteller Kaessbohrer, einschließlich Werkzeug und Zubehör, sowie Fahrzeugbrief, Fahrzeugschein der Bundesrepublik Deutschland zu einem noch bekanntzugebenden Zeitpunkt zum Gebrauch, im Verteidigungsfall zum Eigentum zu überlassen.“ Und auch wo und wann der einzige Bus von Purple Tours gegebenenfalls abzuliefern ist, wurde Ehlers mitgeteilt: Im Lazarett in Dörverden-Barme, und zwar wenn über Rundfunk das Kennwort Blauer Stier mitgeteilt wird.
Golfkrieg? Bündnisfall? Der Bus zum Transport amerikanischer Soldaten ab in die saudische Wüste? Nichts von alledem, versichert der Mann vom Kreiswehrersatzamt in Stade. Die Ankündigung einer Zwangsrekrutierung von Firmeneigentum sei alltägliche Praxis. Die Begründung dafür haben die Militärs in einem Beiblatt mitgeliefert. Auch wenn es nach den Veränderungen in Europa möglich sei, den Umfang der Verteidigungsanstrengungen zu verringern, seien die Streitkräfte zur Erfüllung des Verteidigungsauftrags auf die Heranziehung ziviler Kraftfahrzeuge angewiesen. „Diese Geräte schon im Frieden zu beschaffen, wäre aus Kostengründen nicht vertretbar.“
Nicht nur das Eigentum von Spediteuren oder Busunternehmern wird verplant, bei den Kreiswehrersatzämtern existiert auch eine Liste, welche PKW's der Bundeswehr gehören, wenn der Krieg beginnt. Der Herr vom Bund: „Auch Ihr Fahrzeug könnte eingeplant sein. Sie erfahren bloß nichts davon.“
Zum Golf wird der Purples- Bus aber aller Voraussicht nicht verschifft werden. Denn in den einschlägigen Paragraphen ist festgelegt, daß für die Zwangsrekrutierung der Verteidungsfall eingetreten sein muß, der Bündnisfall reicht dafür nicht aus. Und wenn nun ein Kriegsdienstverweigerer seinen Bus aus Gewissensgründen ebenfalls vom Krieg abmelden will? Dann kann er zwar Widerspruch einlegen, doch eine ideologische Begründung, so weiß der Bundeswehrmann, wird in aller Regel nicht anerkannt.
Daß ein hartnäckiges Nein aber durchaus Erfolg haben kann, das hat der frühere Fuhrunternehmer Helge Burwitz mit dem Kreiswehrersatzamt Bremen durchexerziert. Das wollte unter dem Kennwort „Grüner Puma“ von Burwitz einen Hänger samt Plane und Spiegel. Burwitz widersprach unter dem Kennwort „Am Arsch“ und begründete: „Auch wenn ich Eigentümer wäre, würde ich o.g. Fahrzeug im sogenannten Verteidigungsfall nicht für die Zwecke der NATO zur Verfügung stelle; eher würde ich es anzünden.
Leckt mich (s. unser Kennwort).“
Der Widerspruch wurde akzeptiert, der Hänger wieder ausgemustert. hbk
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