»Ja, ich bin Lutheraner«, sprach Herr Luther

■ Neu im Senat (VI): Gesundheitssenator Peter Luther (CDU) ist der einzige Ostberliner CDU-Mann in der Stadtregierung

Berlin. Ja, er ist ein Lutheraner. Das gilt nicht nur für die christliche Konfession des Peter Luther, sondern auch für sein Arbeitsethos. Wenn der neue Gesundheitssenator erzählt, dann ist viel von Verantwortung die Rede und von Leistung. Der einzige Ostberliner unter den CDU-Senatoren ist ein ostdeutscher Protestant wie aus dem sozialkundlichen Bilderbuch.

Das braucht niemanden zu verwundern, denn Luther stammt in direkter Linie von einem Bruder des Reformators ab. In einem Haus in Drohnsdorf bei Aschersleben, das Jakob Luther im 16. Jahrhundert kaufte, ist Peter Luther geboren. Die großbäuerliche Herkunft machte seiner Familie und ihm nach dem Krieg prompt Schwierigkeiten. Im März 1953 verließen die Luthers Haus, Hof und DDR, nach den Unruhen vom 17. Juni 1953 kehrten sie zurück, weil es hieß, nun werde alles besser. »Hoffnungsloser Optimismus war das«, weiß Luther. Um trotz seiner unproletarischen Herkunft studieren zu können, trat er 1963 in die CDU ein — »oder 1964«, so genau weiß der heute 48jährige das angeblich nicht mehr.

Durchaus humanistisch geprägte Seelen habe es in der Blockpartei gegeben, versichert Luther. Bis vor eineinhalb Jahren hat er sich trotzdem »für Politik nicht interessiert«, »niemals« habe er sich in »irgendwelche Aktivitäten« verwickelt. Er blieb sauber und kümmerte sich lieber um seine wissenschaftliche Karriere, habilitierte sich und erreichte das höchste Ziel eines DDR-Wissenschaftlers: er erhielt Einladungen aus dem Ausland, und die DDR-Mächtigen ließen ihn auch reisen. Als renommierter Immunologe weilte er zweimal auf Einladung und auf Kosten der Weltgesundheitsorganisation WHO in London.

Erst Ende der achtziger Jahre begann er sich in seiner CDU-Ortsgruppe in Karow stärker zu engagieren, freilich mit aus heutiger Sicht unverdächtigen Aktivitäten: Er half, eine Kirche zu renovieren. Auch im Gesundheits-Aktiv der Ostberliner CDU haben ihn Parteifreunde ab und zu gesehen. Erst im Oktober 1989 stellte Luther sich auf die Hinterbeine und konnte dann auch nicht mehr anders. Noch im selben Jahr kippte sein Institut für Lungenheilkunde die alte Leitung und wählte eine neue, im Juni 1990 übernahm schließlich Luther selbst die Führung. »Mit soviel Mut waren wir ja alle nicht ausgestattet«, sagt der Mediziner rückblickend.

Er sei, meinen Westberliner Parteifreunde, »kein Karrierepolitiker, sondern ein Fachpolitiker«. Genau das kommt im Osten an. Bei den Abgeordnetenhauswahlen, bei denen Luther die Weißenseer Bezirksliste der CDU anführte, holte er für seine Partei das beste Ergebnis im Ostteil der Stadt — obwohl er lange gezögert hatte, bevor er sich aufstellen ließ. In der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus, in die er am 2. Dezember gewählt wurde, habe er dann öfter »frisch von der Leber gezogen«. Auch dort äußerte er sich freilich nur zu Fragen, für die er sich qualifiziert fühlte: zur Gesundheitspolitik im Ostteil der Stadt. Rücksichten habe er ja nicht nehmen müssen, auf ein Amt habe er nicht spekuliert. Völlig überraschend eröffnete ihm Eberhard Diepgen dann am Montag vor der Senatsbildung, er »wäre der einzige, der als Gesundheitssenator in Frage käme«. Eine Stunde Zeit wurde ihm gelassen: »Ich konnte gerade noch meine Frau anrufen.«

Müssen die drei Ostler im Senat nun fürchten, von den dreizehn Westlern überfahren zu werden? »Das liegt natürlich an der Leistung«, glaubt Luther. Etwas unsicher noch wandert er zwischen seinem provisorischen Amtsraum und dem Vorzimmer hin und her, viel mehr als diese zwei Räume umfaßt sein Reich noch nicht. Zufall, daß ausgerechnet er und Christine Bergmann ihre Verwaltungen erst noch aufbauen müssen? »Ich hoffe es nicht«, sagt Luther. Den pflichteifrigen Optimismus, noch angesichts des drohenden Weltuntergangs ein Apfelbäumchen zu pflanzen, auch den hat der frischgebackene Gesundheitssenator offensichtlich von seinen Vorfahren geerbt. »Andererseits«, überlegt Luther und blickt aus dem Fenster des Dienstzimmers im sechsten Stock, »nur Optimismus, das reicht natürlich auch nicht.« hmt