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Out of the blue

■ Barbet Schroeders US-Spielfilm „Die Affäire der Sunny von B.“

Bleich und regungslos liegt eine Frau im Krankenbett. Fürsorgliche Hände waschen ihren Körper, massieren die leblosen Finger. In den Beutel am Bettpfosten tropft Urin. „Das ist mein Körper. Ich bin das, was die Ärzte vegetativ nennen... War es Mord? Urteilen sie selbst!“ Im viktorianischen Möbel ruht Glenn Close alias Martha „Sunny“ von Bülow — ganz in kühles, blaues Licht getaucht.

Regisseur Barbet Schroeder, dessen Wurzeln irgendwo zwischen Nouvelle Vague und Dokumentarfilm liegen, hat für seinen zweiten Hollywoodfilm wieder eine reale Vorlage gewählt. Nach dem Ausflug in die schmutzig-schwüle Unterwelt des Gossenpoeten Charles Bukowski (Barfly) seziert der 50jährige Cineast diesmal die Welt der amerikanischen High Society. Den Stoff dazu lieferte die Boulevardpresse und das Buch des Rechtswissenschaftlers Alan Dershowitz („Reversal of Fortune“). 1980 wurde Martha von Bülow zum zweiten Mal innerhalb eines Jahres in ein New Yorker Krankenhaus eingeliefert. Diagnose: Koma aufgrund eines Insulin-Schocks — ein Zustand, aus dem sie bis heute nicht mehr erwacht ist. Der Fall war ein gefundenes Fressen für die Medien. Denn „Sunny“, die Ex-Frau des Prinzen Alfie von Auersberg und damalige Gattin des europäischen Adligen Claus von Bülow, hatte als Multimillionärin ein ansehnliches Erbe zu hinterlassen. Die zweite Ehe kriselte seit langem, ein Mordversuch lag nahe. Ihr Ehemann Claus von B., ein Lebemann mit Hang zum Geldadel und schönen Frauen, wurde vor Gericht gestellt und schließlich in einem spektakulären Indizienprozeß wegen zweifachen Mordversuchs zu 30 Jahren Gefängnis verurteilt. In einem ebenso spektakulären Revisionsprozeß erwirkte sein Verteidiger, der prominente jüdische Harwardprofessor Dershowitz, aufgrund der brüchigen Indizienkette zwar einen Freispruch, die wahren Umstände des Scheintodes der Sunny von B. blieben bis heute jedoch ungeklärt.

In seinem Film versucht Schroeder nicht, die mysteriösen Umstände der „Affaire der Sunny von B.“ aufzuklären, sondern er inszeniert mit kühlem Blick und hervoragenden Darstellern verschiedene mögliche Versionen der Wahrheit. Anwalt Dershowitz (Ron Silver) ist eigentlich von Claus von Bülows Schuld überzeugt, übernimmt den Fall aber trotzdem aus Ehrgeiz und eigenwilligem sozialem Rechtsempfinden („Mit dem opulenten Honorar kann ich zehn Schwarze aus der Bronx verteidigen“). Sein Luxus-Mandant verbirgt alle Gefühle hinter einer Mauer aus kühler Arroganz. Jeromy Irons spielt den Aristokraten mit solch diabolischer Noblesse, daß man ihm die mörderische Kaltblütigkeit einerseits zutraut, ihn im nächsten Moment aber als phlegmatischen Melancholiker bedauert.

Die überzeugendste Rolle bietet Glenn Close. In den ineinander verschachtelten Rückblenden erscheint sie einmal als blühende Schönheit der obersten Gesellschaft, dann — zehn Jahre später — als alkohol- und tablettensüchtige Hysterikerin und zwischendurch immer mal wieder totengleich entspannt im Koma. Ihre abweisende Kühle erinnert manchmal an die Gefährlichen Liebschaften, die Hysterie ein wenig an ihre Verhängnisvolle Affaire. Die Affaire der Sunny von B. ist jedoch leiser, kälter und selbstzerstörerischer als jenes amerikanische Mittelstandsdrama. Die Grundstimmung des Films ist blau. Blau wie der Dämmerzustand, in dem sich Sunny von B. befindet — irgendwo zwischen Tag und Nacht.

Auf die Moral der Geschichte — Geld allein macht nicht glücklich — hat der Regisseur dankenswerterweise verzichtet. Eher schon hält Schroeder dagegen: Geld stinkt nicht. Geld beschert angenehmen Luxus, mit Geld kann man sich Männer, Frauen und Tabletten kaufen, eventuell Zeugen, und, wenn nötig, auch einen guten Anwalt. Ute Thon

Barbet Schroeder: Die Affaire der Sunny von B. Mit Glenn Close, Jeromy Irons und Ron Silver. USA 1991, 120 Minuten

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