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Starke Regionen gegen den Nationalismus

■ Bürgermeister Montpelliers plädiert für „VI. Republik“ EUROFACETTEN

Verkehrte Welt: Die beiden Besiegten des Zweiten Weltkriegs, Japan und Deutschland, haben im wirtschaftlichen Wettstreit gesiegt. Und die einstigen Sieger Frankreich und England, die aus ihrem Zentralismus jahrhundertelang großen Nutzen gezogen haben, wurden glatt überrundet. Das ist kein Zufall. Gerade die frühe Zentralisierung von Frankreich und England wendet sich heute gegen diese Staaten. Die Zukunft gehört den Ländern, die sich sehr spät zu Nationalstaaten zentralisiert haben. In Europa sind das Deutschland, Spanien und Italien.

Frankreich braucht starke Regionen als Äquivalent zu den deutschen Bundesländern. Die Dezentralisierung ist gescheitert. Sie hat die Ebenen der Macht zwar erweitert, aber nicht strukturiert. Es gibt zu viele Entscheidungsniveaus, Kantone, Gemeinden, Departements, etc.. Bei jedem Projekt haben fünf oder sechs Gremien mitzureden. Da wird viel Geld verschwendet: In Montpellier haben wir ein Musik- und ein Tanzfestival eingerichtet. Prompt wollten auch Departement und Region ihr Festival haben und gründeten ihrerseits Musikfestivals.

Mein Vorschlag ist, nur drei Niveaus beizubehalten. Den Zentralstaat als obersten Schiedsrichter, dazu deutlich gestärkte Regionen und sogenannte „Euro-Cities“, nach dem Vorbild der deutschen Regionalmetropolen, als ökonomische Motoren. Ich schlage also vor, die Departements abzuschaffen und ihren Haushalt in den der Regionen aufgehen zu lassen. Genau wie in den deutschen Bundesländern müßte der Regionalpräsident direkt gewählt werden. Diese neuen Regionen werden dann mit den spanischen und italienischen Regionen oder deutschen Ländern von gleich zu gleich auftreten können. Mehr ist zur Zeit nicht denkbar. Frankreich ist im Gegensatz zu Deutschland kein föderaler Staat. Die Polizeigewalt wird auf absehbare Zeit noch in Händen von Paris bleiben müssen. Dagegen könnte an die Einrichtung von regionalen Universitäten gedacht werden.

Zur Zeit will sich der Staat um alles kümmern, und deswegen steckt er in der allseits beklagten Krise. Denn wir bewegen uns auf eine Zeit zu, die, ohne es zu wissen, die direkte Erbin vom Mai 1968 ist. Die Individualsphäre hat sich stark entwickelt, und der dank der Medien unmittelbar informierte Citoyen will auch direkt mitentscheiden und eingreifen. In Frankreich muß er jedoch wegen der zentralisierten Verfassung das Gefühl haben, daß ihm die Macht entgleitet.

Der Staatspräsident bestimmt alles. Die Nationalversammlung hat fast keine Macht, und der Premierminister ist zwar theoretisch Regierungschef, faktisch jedoch auf eine ausführende Funktion beschränkt. Wir brauchen also auch eine neue Verfassung, eine „VI. Republik“, in der der Präsident gleichzeitig Regierungschef ist, aber nicht die Macht hat, das Parlament aufzulösen, sondern im Gegenteil von der Nationalversammlung kontrolliert wird. Das amerikanische Modell.

Wenn nichts geschieht, werden wir in den nächsten zehn Jahren von den Deutschen hinweggefegt. Nicht, weil sie besonders böse wären, sondern weil sie dynamischer sind. Ich bin sehr für die deutsch-französische Freundschaft. Und gerade deswegen fürchte ich, daß die Beziehungen zwischen unseren beiden Ländern in einigen Jahren sehr belastet werden, wenn sich die Franzosen von den Deutschen ökonomisch untergebuttert fühlen. Dann, fürchte ich, wird es zu einer Renaissance der Xenophobie und der nationalen Reflexe kommen, im Stil von Le Pen. Die Leute könnten versucht sein, sich wieder auf ihr französisches Hexagon zurückzuziehen, nach dem Motto: Krähwinkel zuerst, Europa später! Georges Frêche

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