»Ein Armutszeugnis für den Sender«

■ Kollegen des vom SFB geschaßten Kabarettisten Martin Buchholz äußern sich zum Zensurfall/ »Kein Mumm, die Mediengleichmacherei zu hinterfragen«/ IG Medien protestiert

Charlottenburg/Tiergarten. Kollegen des Kabarettisten Martin Buchholz, die ebenfalls im SFB auftreten, haben sich gegen die Verbannung von Buchholz' satirischer Kolumne aus dem SFB-Hörfunkprogramm ausgesprochen. Sie nahmen gestern vor der Fernsehaufzeichnung zum regelmäßigen SFB-Satirefest im »Quartier« gegenüber der taz Stellung zu dem Zensurfall. Wie die taz berichtete, hatte eine Buchholz- Kolumne zum Golf- und Medienkrieg vom 18. Januar auf SFB 2 derart Anstoß erregt, daß sein regelmäßiger Satirebeitrag im Morgenecho ganz gestrichen wurde. Die verantwortliche Redaktion wurde nach Protesten gegen die Zensur, die auch über den Äther gingen, abgemahnt. Vorerst findet Satire auf SFB 1 und SFB 2 nach schriftlichen und mündlichen Anweisungen des Programmdirektors Seifert und des Politikchefredakteurs Pistorius nun nicht mehr statt. Man sucht einen »neuen Sendeplatz«, denn laut Seifert geht es dabei keinesfalls um eine inhaltliche Zensur — lediglich um die allgemeine Frage, ob eine solche Satire im Frühmagazin, von dem der Hörer »sachliche Informationen und freundliche Moderation« erwarte, richtig untergebracht sei.

Der Kabarettist Otfried Fischer aus München bezweifelte, ob der SFB die Satire nur »überdenke«. In der »verklausulierten Sprache von Rundfunkredakteuren« bedeute dies »meist das Todesurteil für Satiresendungen. Das war auch bei Dieter Hildebrandts Notizen aus der Provinz so.« Nun wegen dieses Falles auch Konsequenzen für seinen eigenen Auftritt im SFB-Fernsehen zu ziehen, »diesen Bezug« habe er »allerdings noch nicht hergestellt«. Weil er aus Bayern komme, sei er froh, »in Berlin oder in Bremen mal etwas machen zu können«.

Michael Quast, Moderator des dreitägigen Satirefests und selbst Kabarettist, sagte: »Den Sendeplatz von Buchholz zu streichen, ist ein Skandal. Die Leute haben keinen Mumm, jemanden zu Wort kommen zu lassen, der sich kritisch zum Krieg äußert. Dabei ist es nun wichtiger denn je, daß man die Kabarettisten dazu hört — diejenigen, die die Gleichmacherei der Medien hinterfragen«. Es sei ein Armutszeugnis, wenn ein Sender es nicht aushalte, »sich damit zu konfrontieren«. Buchholz habe ja keine primitive Propaganda gemacht. Die werde von den Militärs produziert: »Und die wird gesendet.«

Kohl-Imitator Thomas Freitag wunderte sich »nicht sehr« über die Buchholz-Zensur. »Das wissen wir doch schon lange, daß das so ist.« Im SFB werde er dennoch auftreten, um den Leuten den Rücken zu stärken, die sich noch für Satire einsetzten. Er wolle nicht pauschal urteilen, es gebe solche und solche Abteilungen in den Sendern. »Man muß die Satire endlich generell in die politischen Redaktionen verlegen, damit die irrsinnige Grätsche in den Unterhaltungsabteilungen aufhört, Satire ist nun mal politisch.« Oft werde schon über die Verteilung von Sendeplätzen die erste Zensur ausgeübt. Er selbst, so Freitag, werde das Fernsehen und den Hörfunk »auf jeden Fall weiter als Werbefläche für meine eigenen Live-Auftritte« nutzen.

Auch die IG Medien Berlin kritisierte gestern die Buchholz-Zensur und das Satireverbot. Diese Entscheidung bedeute einen »Eingriff in die Freiheit der öffentlichen Meinung, die auch und gerade im öffentlichen Rundfunk täglich aufs neue erprobt werden sollte«, heißt es in einer Stellungnahme, die zugleich gegen die disziplinarische »Abmahnung« der vier Morgenecho-RedakteurInnen protestiert. kotte