: Im Märzen der Bauer
■ Mit Fruchtfolge gegen zuviel Nitrat auf dem Feld / Ein Bericht vom Bio-Hof
„Bioland“ steht am Scheunentor. Sonst sieht der Hof aus, wie die anderen in der Straße. Zum Glück kein kläffender Hund. Auf der Diele keine Kühe mehr, stattdessen Kinderspielzeug. In der Küche sitzt „Bäuerin“ Ulrike Hubert-Lohmann (34) mit der Inhaberin des Bio-Ladens aus der benachbarten Kleinstadt. In der kleinen ländlichen Bio-Szene kennen sich alle. Die große Tochter Amalie (8) ist im Dorf unterwegs. Der fünfjährige Fabian und der dreijährige Claudius finden es ziemlich langweilig, wenn die Erwachsenen klönen. Erst als die Mutter mit ihnen „Urwaldkakao“ mixt (lecker!), steigt die Stimmung. Vater Ehler Lohmann ist noch mit dem Trecker auf dem Feld.
Das kleine Dorf Westen liegt 60 Kilometer südöstlich von Bremen. Eine Backsteinkirche kuschelt sich hinter den Allerdeich, den Dorfkern prägen bäuerliche Gebäude. Von der Landwirtschaft leben können allerdings nur noch gerade ein Dutzend Vollerwerbslandwirte.
Lohmanns gehören zu den wenigen. Der Hof ist seit 1860 in der Familie, die Hofstelle besteht, wie der eicherne „Spruchbalken“ über dem Eingang bezeugt, seit 1746. Durch den Tod des Vaters mußte Ehler Lohmann den Betrieb schon mit Beginn seines Landwirtschaftsstudiums in Göttingen übernehmen.
In der Woche war er Student, am Wochenende Landwirt. KommilitonInnen machten mit beim Landeinsatz. Dabei lernte er seine Frau Ulrike kennen, die von einem Hof in Schleswig-Holstein stammt.
„Damals habe ich noch gespritzt wie alle“, erinnert sich der 36jährige Lohmann, der mit Anbruch der Dunkelheit zurück ist. Die Entscheidung, auf biologischen Landbau umzustellen, fiel durch die Anti-AKW-Bewegung. Nicht weit von Westen, im Lichtenmoor, wurde Ende der 70er Jahre, zeitgleich mit Gorleben, ein Zwischenlager für Kernbrennstäbe geplant.
Gegen Ende des Studiums, 1982, begannen die Lohmanns, Felder aus der Spritzfolge herauszunehmen. „Im konventionellen Landbau wird ein- bis zweimal gegen Unkraut gespritz, drei- bis viermal gegen Fungizide und ein- bis zweimal gegen Insektizide“, erklärt der Diplomagraringeneur.
Inzwischen sind Lohmanns dem Bioland-Verband beigetreten und bauen auf 35 Hekta vor allem Kartoffeln, Möhren und Dinkel an. Die Mitglieder des Verbandes unterschreiben einen Vertrag, in dem sie sich verpflichten, auf Kunstdünger, Pestizide und Insektizide zu verzichten und nach naturgemäßen Methodden anzubauen. Die Höfe werden regelmäßig vom Verband kontrolliert.
Ein süddeutscher Safthersteller nimmt eine große Menge dervon Lohmanns angebauten Möhren ab, auch der Kartoffelabsatz ist gesichert, sodaß Lohmanns ruhig schlafen können. Sie sind gerade von einem zweiwöchigen Italien-Urlaub zurück, für die Elterngeneration noch undenkbar.
Sauer ist Lohmann auf den „Pseudo-Bio-Markt“. Firmen wie Hipp und Wasa werben inzwischen mit Lebensmitteln „aus kontrolliertem biologischen Anbau“ oder mit sogenanntem Null- Null-Weizen. „Die dürfen keine Spritzmittel und keinen Kunstdünger verwenden, aber Gülle, was zu hohen Nitrat-Werten im Boden führt. Über den Zustand des Bodens wird ohnehin nichts gesagt.“
Bioland-Bauern versuchen, den Nitratgehalt ihrer Erzeugnisse über die Fruchtfolge zu steuern. „Alle fünf Jahre bekommt jedes Feld eine Grünbrache mit einem Klee-Gras-Gemisch, um den Boden wieder mit Stickstoff anzureichern. Wenn das umgebrochen wird, enthält der Boden ziemlich viel Nitrat. Deshalb dürfen dann keine Kartoffeln angebaut werden, weil die das stark aufnehmen, sondern wir sähen Getreide.“
Die anderen Bauern im Dorf haben die „Bio-Bauern“ anfangs mißtrauisch beäugt. Viermal höhere Preise für den Sack Bio-Kartoffeln haben Neid und Mißgunst erregt, „aber inzwischen kommen sie auch schon mal und leihen sich unseren Hackstriegel“, freut sich Lohmann.
asp
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen