: Skandal im Kohlenpott
William Shakespeare liebte den Gerstensaft: „Denn eine Kanne Bier — das ist ein Königstrank.“ Auch Heini Heine spuckte nicht gerade rein: „Ebenfalls, so schäumet hier, geist- und phantasieanregend, holder Bock, das beste Bier.“ Sogar Johann Sebastian Bach komponierte, als er — zu Beginn seiner Laufbahn — in Arnstadt Orgelspieler war, eine kleine Oper: „Die Klugheit der Obrigkeit in Anordnung des Bierbrauens“. Bier ist keine deutsche Erfindung — gut. Schon Sumerer und Ägypter kannten es. Daß Bier aber heute noch beliebt und trinkbar ist — das ist zweifellos ein Verdienst der Deutschen. Neun von zehn Deutschen trinken Bier. Die einen regelmäßig, die anderen gelegentlich.
Auch im Ruhrgebiet schütten sie ganz schön was weg. Noch, muß man wohl hinzufügen, denn an den Tresen von Essen und Duisburg wird's allmählich ungemütlich, eine Katastrophe von biblischen Ausmaßen kündigt sich an: Eine Getränkesteuer droht! Ende der 60er Jahre hatten Regierung und Parteien in Nordrhein- Westfalen hoch und heilig versprochen, die Getränkesteuer nie wieder zuzulassen. Die fiese Abgabe wird heute nur noch in einigen verschlafenen Käffern Niedersachsens erhoben. Da kommt doch jetzt der Essener Stadtkämmerer Johannes Werner Schmidt daher und begeht politisches Harakiri, indem er erklärt, er wolle die Steuer wiedereinführen. Auch der Duisburger Kämmerer spielt mit Leib und Leben und will in den Kneipen der Stadt alles Trinkbare — bis auf Milch und Milchprodukte — besteuern. Der Bierpreis würde um zehn Prozent steigen. Ein Pilsken würde dann zwanzig Pfennige mehr kosten. Der gemeine Kämmerer hofft, den Biertrinkern auf diese abscheuliche Weise neun Millionen Mark abzuknöpfen.
An den Theken gärt es: „Das gibt Ärger“ ist noch die harmloseste Drohung, die in den Eckkneipen zu hören ist. Daß der deutsche Arbeiter, ansonsten sehr pflegeleicht, für sein Bier auf die Straße geht und Steine schmeißt, ist schließlich nicht ganz abwegig.
Im Kohlenpott sollten sie also lieber vorsichtig sein und die arbeitende Klasse nicht reizen. Aber in den neuen Bundesländern glauben sie, ihre Revolution doch schon hinter sich zu haben. Da wird zwar auch nicht schlecht geschluckt, aber die denken doch inzwischen, sie seien im Paradies. Alles handzahme Biertrinker, die mucken auch nicht groß auf, wenn sie massenweise arbeitslos werden. Denen kann man bestimmt auch noch eine Getränkesteuer aufdrücken. Karl Wegmann
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