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Bodenkrieg steht unmittelbar bevor

■ Frankreichs Präsident Mitterrand kündigt harte Kriegsphase an / Cheney und Powell in Saudi-Arabien/ Radio Bagdad: Sie sollen nur kommen/ Holland liefert ebenfalls Patriot-Abwehrsysteme an Israel

Paris (afp) — Der französische Staatspräsident Francois Mitterrand hat in einem Fernsehinterview die Bevölkerung auf eine harte Phase des Golfkriegs vorbereitet. Die unvermeidbaren Bodenkämpfe würden möglicherweise bereits in den nächsten Tagen, jedenfalls aber vor Ende Februar beginnen. Er gab sich gleichzeitig überzeugt, daß der Krieg nicht über das Frühjahr hinaus andauern werde. Mitterrand wies für den Fall eines irakischen Angriffs mit ABC-Waffen einen Gegenschlag der Koalition mit den gleichen Mitteln kategorisch zurück. „Wir verfügen über herkömmliche Kampfmittel, mit denen wir in diesem Konflikt dem Recht zum Sieg verhelfen können“, sagte er. Ebenso schloß er die Ausdehnung des Kriegs auf das gesamte irakische Territorium aus. Auf Fragen zur Zeit nach dem Krieg sagte Mitterrand, die Rückkehr zum Frieden müsse vom UNO-Sicherheitsrat organisiert werden. Diese Aufgabe könne keine andere Macht übernehmen. Für die Lösung der Probleme der Region sind nach seinen Worten „eine oder mehrere internationale Konferenzen“ nötig, bei denen es insbesondere um den israelisch-arabischen Konflikt, die Palästinenserfrage und Libanon gehen müsse. Der französische Präsident befürwortete auch ein neues Konzept für die Verteilung des Ölreichtums. Es sei unerträglich, die reichsten Länder an der Seite der ärmsten Länder zu sehen.

Unterdessen sind US-Verteidigungsminister Dick Cheney und der Generalstabschef General Colin Powell zu einem Besuch der Truppen in Saudi-Arabien eingetroffen. Sie wollen unter anderem mit dem amerikanischen Oberkommandierenden am Golf, General Norman Schwarzkopf, und den saudischen Befehlshabern zusammenkommen, sich ein Bild über die strategische Lage machen und danach US-Präsident George Bush Bericht erstatten. Anschließend wird in Washington mit einer Entscheidung über den Beginn der Offensive der alliierten Bodentruppen gerechnet, obwohl es in beiden Parteien starke Vorbehalte gibt. Der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Les Aspin, warnte, daß die Unternehmung der Alliierten „entgleisen“ könnte, falls die USA zu rasch mit dem Bodenkrieg begännen. Zugleich wandte er sich aber auch gegen eine politische Lösung, die den Irakern ein Verbleiben in Kuwait ermöglichen würde. Es dürfe aber keine Ausweitung des Kriegsziels auf einen Sturz Saddam Husseins geben, weil dies wohl eine Invasion Bagdads erforderlich machen würde. Der Befehlshaber der britischen Truppen, General Peter de la Billiere, sagte am Donnerstag in Riad, der Golfkrieg bewege sich unaufhaltsam auf die nächste Phase, den Bodenkrieg, zu. Der Chef des französischen Generalstabs am Golf, Maurice Schmitt, berichtet unterdessen, die Iraker verstärkten ihre Truppen im Süden Kuwaits. Nach Schmitts Angaben sollen seit Beginn des Krieges am 17. Januar bereits 10.000 bis 15.000 Iraker getötet oder verwundet worden sein. In Riad teilte der Kommandant der arabischen Streitkräfte, Chaled ben Sultan, mit, daß seit Beginn des Konflikts um Kuwait am 2. August letzten Jahres über 1.300 irakische Soldaten übergelaufen seien. Bereits vor Ausbruch der Kämpfe seien 418 irakische Soldaten desertiert. Radio Bagdad meldete, daß die pausenlosen Bombardierungen der Alliierten den irakischen Streitkräften nichts anhaben konnten. Die irakische Armee sei intakt und bereit, die Angreifer zu vernichten. Die seit 22 Tagen anhaltenden Luftangriffe der Alliierten hätten nur in den Wohnviertel Schaden angerichtet. Der Sender fügte hinzu: „Der wirkliche Kampf wird sich an der Front abspielen, Soldat gegen Soldat, und nicht gegen Zivilisten.“ Die Niederlande haben Israel unterdessen acht Patriot-Abschußrampen angeboten. Dies teilten die niederländischen Außen- und Verteidigungsminister Hans van den Broek und Jan Pronk am Freitag mit. Den Haag habe damit einer Bitte Israels entsprochen, das erneute Angriffe des Irak fürchte. Die Rampen, von denen jeweils vier Patriot-Abwehrraketen gestartet werden können, sollten so bald wie möglich nach Israel transportiert werden. Zusammen mit den Waffensystemen sollen außerdem 25 niederländische Soldaten nach Israel geschickt werden.

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