: Anachronismus Sockenhalter
■ “Das musikalische Himmelbett“ im Ernst Waldau-Theater
Es hätte eine gute Aufführung werden können, wenn — ja wenn die Regie gewußt hätte, was sie will.
Rolf B. Wessels, assistiert von Heidi Jürgens, bringt im Ernst- Waldau-Theater auf hochdeutsch „Das musikalische Himmelbett“ (nach dem Musical „I do, I do“) von Harvey Schmidt und Tom Jones in der deutschen Übertragung von Peter Goldbaum und Walter Brandin auf die wunderschön dekorierte Bühne. Spontaner Beifall, als das Bühnenbild erscheint. Ein Extra-Lob für Bühnenbildner Roland Wehner.
Auch wie Maskenbildnerin Anja Gießmann die sich wandelnden Gesichter — die Handlung erstreckt sich über mindestens vier Jahrzehnte — gestaltet, ist lobend hervorzuheben. Und die Kostüme von Susanne Faye finden ebenfalls Beifall. Bis auf die Sockenhalter. Was sollen die in einem Stück, das angeblich heute spielt. Die wird man heute sicher bei keinem Herrenausstatter mehr finden.
Das gehört zu den vielen kleinen Unstimmigkeiten, die einem die Aufführung ein bißchen verleiden. Dabei — was hätte man aus dem Stück machen können! Es ist schließlich auf vielen Bühnen der Welt mit großem Erfolg gelaufen. Man hätte das Stück in seiner Entstehungszeit — so um 1950 — belassen können. Dann wäre es in sich stimmig gewesen. Und was heißt überhaupt heute? Spielt das Ende oder der Anfang heute? Im letzteren Fall müßte man bei der großen Zeitspanne für die letzte Szene die Mode des Jahres 2030 vorhersagen können. Unlösbar.
Ebenfalls der Aktualisierung zum Opfer gefallen ist die homogene, in einem bestimmten Zeitabschnitt angesiedelte Moral des ursprünglichen Stückes. Heute wirkt manches davon einfach nur unzeitgemäß und unangemessenen pädagogisierend. Aber um das anzupassen, hätte das gesamte Stück umgeschrieben werden müssen.
Die weibliche Rolle des Zwei- Personen-Stückes spielt Marianne Staudacher ganz anmutig. Bernd Poppe mit dem männlichen Part ist wenigstens als der weißhaarige Greis in der letzten Szene recht überzeugend. Für das Gesamturteil fällt mit nichts als die deutsche Entsprechung des Titels ein, und die lautet in etwa: „Ja, ja.“
Endlich hat auch, wer kein Plattdeutsch kann, Gelegenheit, die neue Innenausstattung des Theaters zu begutachten.
Berni Kelb
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