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Hafen-Beschlagnahme „Anschlag auf Verfassung“

■ Protest gegen Emder Hafen-Coup

Die Landesregierung in Niedersachsen will juristisch gegen die Entscheidung der Bundesregierung angehen, die in Emden kurzerhand die gültige Hafenordnung außer Kraft gesetzt und den Südpier des Hafens zum militärischen Sperrgebiet erklärt hatte. Als militärischer Sicherheitsbereich ist der Hafen jetzt dem Zugriff von Landesregierung und Polizei entzogen. Die Militärs leiten ihr Vorgehen aus dem „Gesetz über die Anwendung unmittelbaren Zwangs“ ab (wir berichteten). Es verleiht der Bundeswehr besondere Befugnisse, wenn „dies aus Gründen der militärischen Sicherheit zur Erfüllung dienstlicher Aufgaben der Bundeswehr“ unerläßlich ist.

Kalle Puls, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Grünen in Niedersachsen: „Der dienstliche Auftrag der Bundeswehr orientiert sich an der hoheitlichen Aufgabe der Landesverteidigung.“ Ohne daß Notstandsgesetze in Kraft seien, würden jetzt jedoch Maßnahmen angewandt, die dem erklärten politischen Willen der Landesregierung zuwiderlaufen.

Britische und amerikanische Armee haben nun außerdem die Erlaubnis, Munition aus ihren Depots in der Bundesrepublik in Emden umzuschlagen. Die Sicherheitsbestimmungen werden dabei, so ein Sprecher des Wirtschaftsministeriums in Hannover, von den Alliierten selbst festgelegt, die bisherigen Bestimmungen außer Kraft gesetzt. Umfang und Art der Kriegsgüter seien unbekannt.

„Dies ist ein grundsätzliches kompetenzrechtliches Problem zwischen Bund und Ländern“, betonte Kalle Puls. Er verurteilte die „absolut rechtswidrige Praxis“, mit der die alliierten Streitkräfte die Ordnungsgewalt für den Kriegsgüterumschlag übernommen haben. Die „Beschlagnahme des Emder Hafens“ bezeichnete er als einen „Anschlag auf die Verfassung“.

Auch Fachjuristen haben Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieser Maßnahme: Als Grundlagen für eine solche Einschränkung komme u.a. das sogenannte Schutzbereichsgesetz in Betracht. Die daraus möglichen Einschränkungen von Boden und Gewässern seien jedoch nur „für Zwecke der Verteidigung“ oder für „Verpflichtungen des Bundes aus zwischenstaatlichen Verträgen über die Stationierung und Rechtsstellung von Streitkräften“ festgelegt. Die Verladung von Militärmaterial für die US-Streitkräfte am Golf sei aber kein „NATO-Fall“ im Sinne der Gesetze, meinte Dieter Sterzel, Professor an der Uni Oldenburg. Auch eine Bestimmung, nach der ein Schutzbereich „zur Erhaltung und Wirksamkeit von Verteidigungsanlagen“ eingerichtet werden kann, greife im konkreten Fall nicht: dazu müsse man den Hafen als Verteidigungsanlage deklarieren. dpa/taz

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