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Metropole 4 U

■ Montagsexperten kommen zu Wort HAUPTSTADT GANZ NACKT — FOLGE 4

Die Operation Metropole kommt langsam wieder in Schwung. Wochenlang war es ruhig, und es stand zu befürchten, daß das Projekt sang- und klanglos begraben wird. Man hat aber nur Luft geholt, um zum metropolitanen Aufbruch 91 zu blasen. Das Blasen begann vergangenen Dienstag, als Herr Diepgen und sein Sprecher die Koalitionsvereinbarungen im persönlichen Gespräch mit der Presse erläuterten. So ist unter anderem vereinbart worden, »den Rang der Stadt als europäische und nationale Metropole zu erhalten und weiter zu entwickeln«. Mittlerweile reicht das aber nicht mehr. Ein bißchen mehr könnt's schon sein. Soll es auch: »Berlin wird die Tradition der europäischen Mitte wieder beleben.« Und mitten in der Mitte liegt eben unsere Metropole von nationalem und europäischem Rang, was ja Diepgen sei Dank den Vereinbarungen entspricht.

Kaum war die Metropole per Dekret erlassen, erschien das Zentralorgan für Luftphotographie 'Geo‘ mit der (koalitionsvereinbarten?) Sondernummer Metropole Berlin — darin viele Zeugenaussagen zum Thema. Womöglich hatte E. Diepgen (CDU) die 'Geo‘-Lektüre noch nicht verarbeitet, als er am Donnerstag in seiner Regierungserklärung »den Ausbau Berlins zu einer europäischen Metropole« bekräftigte und dabei vor lauter Zentren, Mitten, Sitzen und Hauptstädten vollkommen den Überblick verlor. »Der Balancepunkt deutscher Politik«, so der Zehlendorfer Staatsmann, müsse an den »Brennpunkten der Probleme« im »Zentrum der gesellschaftlichen, wissenschaftlichen und kulturellen Diskussionen« liegen. Wenn ich es recht verstanden habe, liegt der Balancepunkt demnach an den Brennpunkten, die gleichzeitig das Zentrum bilden. Alles zusammen ergibt wahrscheinlich die Tradition der europäischen Mitte — wiederbelebt vom Wahlsieger nach Punkten, E. Diepgen.

Termingerecht zur Regierungserklärung startete am Donnerstag abend das Metropolenmagazin Fokus Berlin, was nichts weiter als ein Brennpunkt (siehe Diepgen) aus dem Fremdwörterbuch. Im Fokus der »Beobachtungen aus der neuen Hauptstadt« stand natürlicherweise die Frage nach der Metropole. Prominente wie Lesbenvater Scheel oder Schnatter-Edith Hancke gaben Antwort. Dazwischen Berichte zur Berliner Metropolenlandschaft mit gewichtigen Erkenntnissen ('Berliner Morgenpost‘ habe ziemlich großen Lokalteil, taz erscheine überregional, 'BZ‘ werde am meisten verkauft). Man erfuhr zwar nicht, welche Zeitung nun das ultimative Metropolenblatt sei, aber dafür hat sich die Fokus-Redaktion ein fundiertes Urteil über den Radio- Äther gebildet: Rias — na ja, Hundert,6 — oh weh, Radio 100 — Besetzerfunk, DT 64 — abgehalftert. Das einzig innovative Radio Berlins sei hingegen — na was wohl — Radio 4 U. Genauso innovativ eben wie das Metropolenmagazin Fokus Berlin. Allein schon deshalb, weil es wie Radio Für Dich ein SFB-Produkt ist. Das ist professioneller Metropolenjournalismus, der es gleich Herrn Diepgen wagt, Brennpunkte knallhart auf den Punkt zu bringen. Enno Bohlmann

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