: Die Schüler kamen kaum zu Wort
■ Robert Jungk und Bahmand Nirumand diskutierten in der TU über den Golfkrieg vor 1.500 Menschen
Berlin. Um die Schüler, die als Avantgarde in ihrem Antikriegsprotest den Erwachsenen vorangegangen sind, mit neuen Informationen zu versorgen und ihnen gegen die diskrimierende Haltung vieler Lehrer neuen Mut zu machen, hatten die »Arbeitsstelle Dritte Welt« und andere Organisationen in das mit etwa 1.500 Friedensfreunden überfüllte Audimax der Technischen Universität Berlin geladen. Auf dem Podium wollten unter anderem der 78jährige Zukunftsforscher Robert Jungk und der iranische Exilautor Bahman Nirumand mit Schülern aus Ost- und West-Berlin über die Perspektiven der Schülerbewegung sprechen. Die anwesenden Schüler kamen jedoch kaum zu Wort.
Der Golfkrieg, so stellte Robert Jungk in seinem Eingangsvortrag klar, hätte weder am 17. Januar noch am 2. August begonnen; er sei statt dessen Ergebnis unserer Ausbeutung der sogenannten »Dritten Welt« und Beginn einer langen Auseinandersetzung zwischen ausbeuterischen und ausgebeuteten Ländern. Es ginge nicht darum, wer den Krieg angefangen habe. Die »Friedenskräfte« müßten den Golfkrieg und ein vorstellbar gewordenes Ende der Welt verhindern; die sogenannte zivilisierte Welt müsse von Naturvölkern lernen, für die die Erde noch heilig sei. Robert Jungk appellierte an die Verantwortung eines jeden einzelnen. Bahman Nirumand stellte klar, daß die Opfer des Krieges in keinem Verhältnis zu den vorgeschobenen Kriegsgründen stehen würden und verwies auf die Mitschuld der Israelis. Während ein paar Kinder in freier Wildbahn durch den Saal plärrten, kamen die Schüler, für die doch die Veranstaltung organisiert worden war, kaum zu Wort. Statt dessen bildeten sich Schlangen vor den Saalmikrophonen, durch die vereinzelte Friedenskämpfer, Kommunisten und Christen ihre vorgeschriebenen allgemeinpolitischen Statements und Weltanalysen zu Gehör brachten.
Die ganz pragmatischen Organisationsfragen der Schüler gingen mehr oder minder unter. Einige von ihnen verließen protestierend das Podium. Und während ein verstört freundlich lächelnder Christ nach erfolglosen Versuchen sich endlich das Mikrophon erobert hatte und frei und unbeachtet sprechen konnte, leerte sich der Saal allmählich. Zurück blieb das Schlußwort von Robert Jungk: »Man sagt sich, das war wieder eine furchtbare Unordnung. Ich würde das anders interpretieren: Es gibt eben ein enormes Äußerungsbedürfnis, doch im großen Auditorium bekommt all das, was gesagt wird, sofort etwas Deklamatorisches; dann wird nicht mehr ernsthaft gesprochen, sondern es werden nur Emotionen bewegt. Deshalb müssen wir kleine Gesprächskreise bilden.«
Mit den Schülern will Robert Jungk heute nachmittag die Diskussion fortsetzen. Detlev Kuhlbrodt
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