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Roland-Flugabwehr mit Bodenhaftung

■ Sowjetische Friedensliebe verhindert Transport deutscher Raketen in die Türkei/ Auch die Verlegung von Soldaten nach Diyarbakir ist „durcheinandergeraten“/ Stoltenberg am Mittwoch in Ankara

Köln/Berlin (dpa/taz) — Die Bonner Militärs waren irritiert. Es war alles unter Dach und Fach und mit der holländischen Charterfirma „Road Air“ ausgehandelt: Das unter ihrem Vertrag stehende sowjetische Großraumflugzeug „Antonow“ sollte acht Roland-Flugabwehrsysteme mit mehreren Flügen zum türkischen Militärflugplatz Erhac in Ostanatolien bringen. Am letzten Freitag sollte es von Köln-Wahn aus losgehen. Dort kam die Maschine schon verspätet an und zur Überraschung der Bundeswehr erklärte der Flugkapitän, er weigere sich, in Krisengebiete zu fliegen.

Die Gründe für das Verhalten des sowjetischen Piloten blieben zunächst im Dunkeln. Bonner Militärs vermuteten allerdings gleich, daß Moskau dahintersteckt. Zu Beginn des Golfkrieges war die Sowjetunion zumindest verbal auf der Seite der Alliierten. Das scheint sich jetzt geändert zu haben. Präsident Michail Gorbatschow erklärte am Wochenende, die Logik der militärischen Operationen und der Charakter der Militäraktionen am Golf riefen die Gefahr hervor, daß das UN-Mandat überschritten werde.

Gestern mittag verwandelte sich die Annahme der Luftwaffenoffiziere in Realität. Sowjetische Maschinen brächten keine Waffen mehr in Krisengebiete, wurde in Bonn erklärt. Mit der Verweigerung des Antonow-Fluges wollten die Sowjets offenbar ein erstes Zeichen für ihr Abrücken von der Unterstützung der multinationalen Streitmacht am Golf geben.

Die Bundeswehr sitzt in der Klemme. Ursprünglich wollte sie zwei Antonows anheuern. Der Markt für Großraumjets ist aber wegen der Golfereignisse leergefegt. Mit Mühe gelang es schließlich, die Antonow der „Road Air“ zu bekommen. Die amerikanischen „Galaxy“ sind völlig ausgebucht. In einen Frachtjumbo der Lufthansa oder in die US-Maschinen C-130-Hercules und C-141-Starlifter passen die großen Flugabwehrsysteme genau so wenig hinein wie in die deutschen Transalls. Es käme jetzt vielleicht der Super-Guppy in Frage, der Zellen des Airbus transportiert.

Unterdessen verzögert sich auch der Transport von Soldaten des Flugabwehr-Raketengeschwaders 36 aus Bremervörde zum türkischen Nato- Stützpunkt Diyarbakir. Ursprünglich sollten schon am Samstag 89 Soldaten verlegt werden, nachdem am Freitag 49 Angehörige des Geschwaders in die Türkei geflogen worden waren. Auf der Hardthöhe hieß es, der ganze Transport sei „durcheinandergeraten“. Die Stationierung von Soldaten in der Türkei, hieß es, sei sinnlos, solange die Waffensysteme nicht vor Ort seien.

Mit dem Eintreffen sämtlicher deutscher Raketenmannschaften wird die Bundesrepublik mindestens 600 Soldaten in der östlichen Türkei stationiert haben. Außerdem ist ein Militärhilfeprogramm im Umfang von 1,5 Milliarden DM angelaufen. Bundesverteidigungsminister Stoltenberg wird am Mittwoch — sollte er seine Reise nicht mit einer sowjetischen Maschine geplant haben — bei Gesprächen mit der türkischen Regierung möglicherweise weitere Hilfszusagen überbringen. Nach Informationen aus türkischen Regierungskreisen und türkischen Zeitungen soll Bonn der Regierung in Ankara bereits versprochen haben, die deutschen Raketen würden nach Beendigung des Golfkrieges in türkisches Eigentum übergehen.

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