: Hilfe für Saddam — aus „Fürsorge“?
■ Der Kölner Strabag-Konzern soll in mehr als 70 Fällen das UNO-Embargo durchbrochen haben/ Das Unternehmen beruft sich auf „übergesetzlichen Notstand“ und die Fürsorgepflicht für Bedienstete
Berlin (taz) — Die Kölner Strabag Bau-AG, mit 13.000 Beschäftigten das fünfgrößte Bauunternehmen der Bundesrepublik, steht im Verdacht, in rund 70 Fällen gegen das Uno-Embargo gegen den Irak verstoßen zu haben. Zwischen August und Anfang Dezember soll der Konzern auf Schleichwegen überJordanien u.a. Ersatzteile, Konstruktionspläne, Werkzeuge, Chemikalien zur Wasseraufbereitung und 500 Gasmasken in den Irak geliefert haben. Das berichtet der 'Spiegel‘ und spricht von dem bisher größten, bekanntgewordenen Bruch des UNO-Embargos. Mit involviert in die undurchsichtigen Geschäfte sind auch andere bundesdeutsche Firmen, die als Zulieferer für die Strabag Werkzeugteile und Baumaterialien in den Irak geschickt haben sollen.
Die Strabag baut im Auftrag der irakischen Regierung eine Autobahn und einen Zivilflughafen in der Stadt Basrah. Diese Arbeiten, für die der rheinische Baukonzern 2,3 Milliarden Mark kassierte, gingen auch nach dem irakischen Einmarsch in Kuweit und nach dem UNO-Embargo weiter. Bis Anfang Dezember hielten sich rund 500 Strabag-Mitarbeiter samt Familienangehörigen im Irak auf. Noch im Dezember hatte der Konzern im 'Deutschen Ärzteblatt‘ für seine Baustelle in Basrah einen Werksarzt gesucht. Geschichtsträchtiger Einstellungstermin: 15.1.91.
Jetzt ist es allein das Wohl der Beschäfigten, mit denen der Kölner Konzern seine Lieferungen an den Irak legitimiert. In einer fünfseitigen Stellungnahme dementierte die Strabag am Wochenende zwar „vorsätzlich oder fahrlässig gegen das Embargo“ verstoßen zu haben, das Statement der Geschäftsleitung liest sich aber dennoch wie ein Teil-Eingeständnis. Man habe zwar nichts Verbotenes getan, aber dieses angeblich nicht Verbotene geschah aus einem „übergesetzlichen Notstand“ heraus. Die Strabag bestreitet nicht, Gasmasken, Chemikalien zur Wasseraufbereitung, Lebensmittel — darunter auch Notrationen der Bundeswehr — und Medikamente in den Irak geliefert zu haben, all diese Dinge seien jedoch ausschließlich den eigenen Mitarbeitern zugute gekommen. Last not least seien auch das Personal der deutschen Botschaft in Bagdad und deutsche Geiseln in den Genuß der Lebensmittellieferungen des deutschen Konzerns gekommen. All diese „Hilfsmaßnahmen“ — auch die 500 Gasmasken — dienten ausschließlich der persönlichen Sicherheit der Baustellenmitarbeiter.
Die „Fürsorgepflicht“ als Arbeitgeber sei es auch gewesen, die den Konzern dazu bewogen habe, die Arbeiten auf der Baustelle nach dem Embargo-Beschluß fortzusetzen. Denn die Erfüllung dieser Verträge sei die einzige Möglichkeit gewesen zu verhindern, daß die eigenen Leute als „menschliche Schutzschilde“ verschleppt würden. Außerdem seien durch das Embargo „Bau- Dienstleistungen bedauerlicherweise nicht verboten“ gewesen. In diesem Zusammenhang bestreitet die Strabag auch nicht, noch nach dem Embargo Konstruktionspläne für die Baustelle geliefert zu haben. Dabei habe es sich jedoch nur um „geringfügige Korrekturen“ und „technisch bessere Kopien“ gehandelt. Finanzielle Gegenleistungen habe man für diese Lieferungen nicht erhalten und auch die vorzeitige Ausreise einiger Strabag-Mitarbeiter aus dem Irak, die das Land früher als andere verlassen konnten, sei nicht auf irgendwelche geheime Zugeständnisse zurückzuführen.
In der Strabag-Affäre haben nun die Staatsanwälte das Wort — sofern sie es auch ergreifen. Nach Informationen des 'Spiegel‘ forschen die Ermittler seit letzter Woche in den Konzern-Unterlagen. Ein Strabag-Lieferant, der mit Ersatzteilen dem Irak zu Diensten gewesen sein soll, wurde angeblich festgenommen. Ve
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen