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»Wir sind keine Touristen!«

■ Juden aus Israel kommen auch über die Sowjetunion nach Berlin/ 120 haben seit Jahresbeginn um eine Unterkunft in Berlin nachgesucht/ Zurück nach Israel aber möchte niemand mehr

Berlin. »Wir sind keine Touristen aus Israel, sondern Flüchtlinge«, sagt eine ältere Frau mit erregter Stimme. Zwei Koffer seien ihre ganze Habe gewesen, mit der sie von Tel Aviv nach Berlin gekommen ist. Diese Jüdin aus der Sowjetunion hatte ihr Land verlassen, weil sie sich zu Hause nicht mehr sicher fühlte, bedroht und diskriminiert wurde. Ihre Hoffnung, nach der Auswanderung ohne Angst ein neues Leben beginnen zu können, erfüllte sich erst einmal nicht. Sie kam in ein vom Krieg betroffenes Land. Wieder sah sie keinen anderen Ausweg, als sich abermals auf den Weg zu begeben.

Rund 120 Juden aus der Sowjetunion, die teils schon ein Jahr und länger in Israel lebten, haben seit Jahresbeginn um eine Unterkunft in Berlin nachgesucht. Zwei Berliner Stadtbezirke erklärten sich stellvertretend für alle anderen kurzfristig bereit, jeweils ein Aufnahmeheim zur Verfügung zu stellen. Zumeist sind es Familien, viele junge Menschen, die über den Umweg Israel nach Berlin gekommen sind. Sie stammen aus Moskau, Leningrad, dem baltischen Vilnius, aus Dnepropetrowsk und anderen Städten. Viele haben eine akademische Ausbildung. Mediziner, Ökonomen, Ingenieure, Sportlehrer und Künstler sind unter den Heimbewohnern.

Einige haben den Kriegsausbruch unmittelbar miterlebt, die Mehrzahl war schon vorher nach Deutschland unterwegs. Zurück nach Israel möchte nach Beendigung des Krieges keiner der Bewohner eines der Heime. Man sei auf die Situation dort und manche Probleme unzureichend vorbereitet gewesen, ist vereinzelt zu hören. Viele machen kein Hehl daraus, daß sie auch in ökonomischer Hinsicht in Deutschland die besseren Zukunftschancen für sich sehen. »Wir sind noch jung, können zupacken und wollen uns in Deutschland eine Existenz aufbauen«, gibt sich aus dem Kreis der Befragten ein Autoschlosser zuversichtlich.

Doch dem steht vorerst zumindest ein Hindernis im Wege. Diese Menschen kommen aus einem Drittland. Somit fallen sie nicht unter die jüngst von den Ministerpräsidenten der Bundesländer getroffene Regelung für jüdische Zuwanderer aus der Sowjetunion. Als obdachlose Touristen bezeichnet und behandelt zu werden, lehnen sie strikt ab.

Es sei ein schwieriges Problem, »menschlich wie rechtlich«, meint Renate Mende, Sozialstadträtin in Spandau. Bis ein rechtlicher Status geklärt sei, behandle man die über die Schleife Israel eingereisten Menschen erst einmal wie die anderen jüdischen Immigranten. Außer Obdach erhalten sie jetzt auch Sozialunterstützung. Solange die Zahl nicht wesentlich ansteige — seit die Flugverbindung Tel Aviv-Schönefeld eingestellt ist, kommen täglich nur einige wenige — halte sie das für Berlin auch für verträglich, so die Stadträtin. Uwe Völschow/adn

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