Kritik am grünen Zampano Fischer

In Hessen stehen die „Erbschleicher“ auf der Landtagsmatte/ Gerangel um Ministerposten  ■ Von Klaus-Peter Klingelschmitt

Wiesbaden/Frankfurt (taz) — Der Pförtner am Haupttor zum Hessischen Landtag brachte es auf den Punkt. Die „Erbschleicher“, die man vier Jahre lang in Wiesbaden nicht gesehen hätte, stünden seit dem rot-grünen Wahlsieg am 20. Januar auf der Landtagsmatte. Der Mann hat Durchblick: Auf den Schreibtischen der frischgebackenen MandatsträgerInnen stapeln sich schon die Bewerbungen. Und hinter den Kulissen ziehen die grünen Seilschaften entweder den eigenen Kandidaten auf den Minister- oder Staatssekretärsposten oder den Kandidaten der gegnerischen Seilschaft in den Dreck.

„Keine Negativschlagzeilen“ wollte der designierte Ministerpräsident Hans Eichel (SPD) während der laufenden Koalitionsverhandlungen im Hotel Mönchbruchmühle im Startbahn-Wald im hessischen Blätterwald lesen. Doch die Grünen sind — trotz Ausschlusses der Öffentlichkeit von den Verhandlungsrunden — immer für eine Schlagzeile gut: „Nicht mehr ministrabel“ sei heute die Spitzenkandidatin der Grünen bei den Landtagswahlen, Iris Blaul (35), weil die Expertin für Sozial- und Frauenfragen, die im Wahlkampf als Frauenministerin gehandelt wurde, nach einer Weihnachtsfeier in angeheitertem Zustand ihr Auto in einen Graben fuhr. Dennoch lancierten die Moralapostel aus den Reihen der hessischen Grünen eine parteiinterne Kampagne gegen die amtierende stellvertretende Fraktionsvorsitzende. Daß die Debatte um die angeblichen Alkoholprobleme von Iris Blaul ausgerechnet von den Männern losgetreten wurde, die sich selbst für „ministrabel“ halten und — falls sich SPD und Grüne tatsächlich auf die Installation eines Frauenministeriums einigen — leer ausgehen würden, macht deutlich, daß auch bei den Grünen die Moral eine doppelbödige ist. Nur zwei Ministerien wollen die Sozialdemokraten dem grünen Juniorpartner zugestehen. Unumstritten ist, daß Joschka Fischer wieder Umweltminister des Landes werden und „nebenbei“ noch das Land Hessen beim Bundesrat vertreten soll. Und wenn Iris Blaul, wie bislang vorgesehen, Frauenministerin mit sozialem Kompetenzbereich wird, gehen im rot-grünen Ministerladen die Rolläden herunter. Draußen vor der Tür müßten dann die Männer bleiben. Deren Seilschaften machen zur Zeit andere Rechnungen auf: Ein Finanzminister Karl Kerschgens (46) würde der Partei nicht schlecht zu Gesicht stehen, denn die Besetzung eines „Schlüsselministeriums“ könnte die Grünen bundesweit aufwerten.

Im Gespräch ist auch das Kultusministerium. Als Kandidat wird der Exlehrer und Landtagsabgeordnete Fritz Hertle (46) aus Fulda gehandelt. Auch mit dem Justizministerium liebäugelten die hessischen Grünen. Doch der einzige kompetente Kandidat dafür, der Landtagsabgeordnete und Staranwalt Ruppert von Plottnitz (50), winkte ab: Sein Privatleben sei ihm wichtiger als der fragwürdige Aufstieg zu Ministerehren.

Die Kreise bei den Grünen, die den Verzicht auf das Frauenministerium predigen, haben hilfsweise noch eine andere Debatte angezettelt. Zwischen Fischer, Blaul und Eichel seien die beiden Ministerposten für die Grünen, Frauen (Blaul) und Umwelt (Fischer), bereits „abgekaspert“ worden — ein Vorwurf, den Blaul/Fischer weit von sich weisen. Erst am Ende der Sachverhandlungsrunden werde über Zuschnitte von Ministerien und personelle Zuständigkeiten geredet. Daß Joschka Fischer von „Omnipotenzphantasien“ heimgesucht werde, glauben inzwischen immer mehr Grüne an der Basis der Partei. Umwelt- und Bundesratsminister, stellvertretender Ministerpräsident, Bundesvorsitzender der Partei und vielleicht auch noch der „große Zampano“ im Vorstand der hessischen Grünen wolle Fischer werden. Daß die Partei Fischer im zurückliegenden Wahlkampf bewußt zum „großen Zampano“ gemacht und eine auf Fischer zentrierte Wahlwerbung betrieben hat, war für die Kritiker offenbar nur eine taktische Variante. Der „Alleinherrscher“ Fischer steht unter Beschuß — doch das Ressort Umwelt mit Bundesratskompetenz macht dem Rhetoriker Fischer in Hessen kein Grüner streitig, auch wenn Kreisvorständler befürchten, daß Fischer dann „hauptsächlich in Bonn vortanzen“ werde. Falls Fischer tatsächlich aber auch Bundesvorsitzender der Partei werden will, wird der Hesse kämpfen müssen. Bislang dementierte Fischer die ihm zugeschriebenen Ambitionen auf die zu vergebende Spitzenposition der Partei.