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Liberias Hauptstadt Monrovia kehrt zu einem prekären Frieden zurück

■ Langsame Stabilisierung nach den Bürgerkriegswirren des letzten Jahres/ Nigerianische Soldaten und Nachbarschaftskomitees als Ordnungsmacht/ Flüchtlinge kehren zurück/ Wahlen Ende Februar?

Im westafrikanischen Liberia könnten Ende dieses Monats Wahlen stattfinden. Dieser Versuch, eine politische Lösung für den vor einem Jahr begonnenen blutigen Bürgerkrieg zu finden, soll heute auf einem Gipfeltreffen der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft (ECOWAS) in Togos Hauptstadt Lomé diskutiert werden. Nicht nur die Staatschefs der ECOWAS-Mitglieder, auch die wichtigsten Bürgerkriegsparteien Liberias hatten gestern ihr Erscheinen angekündigt.

Der Plan sieht vor, daß jede der rivalisierenden Armeen die Abhaltung von Präsidentschaftswahlen auf dem jeweils gehaltenen Territorium garantieren soll. Danach soll eine Regierung mit Vertretern aller politischen Kräfte gebildet werden.

In Liberia herrscht ein prekärer Status quo, seit Ende November ein Waffenstillstand zwischen den kämpfenden Armeen vereinbart wurde. Von den Hunderttausenden, die während den Kämpfen im letzten Sommer flohen, kehren viele wieder zurück. Nach Schilderung eines Mitarbeiters des Cap-Anamur-Notärztekomitees, Henrik Sauer, der sich von Anfang Dezember bis Anfang Februar in der Hauptstadt Monrovia aufhielt, ist die Einwohnerzahl von 350.000 Ende November auf nunmehr 500.000 gestiegen. Wie er weiter berichtet, gibt es wieder eine reguläre Flugverbindung nach Guinea, Schiffslinien von Ghana bis Sierra Leone versorgen die vom Hinterland abgeschnittene Hauptstadt. Auch LKW-Konvois kommen vereinzelt aus den Nachbarstaaten durch. Das Gesundheitswesen liegt nicht mehr völlig am Boden: zwei Krankenhäuser funktionieren, Ärzte und Pfleger sind in die Hauptstadt zurückgekehrt. Selbst die libanesischen Geschäftsleute, die traditionell den Handel an Westafrikas Atlantikküste organisieren, haben ihre Lagerhäuser in Monrovia wiedereröffnet und verkaufen alles, von Bekleidung bis zu Würstchen in Dosen.

Hauptproblem ist nach wie vor die Organisation der Versorgung. Dies liegt an der Teilung des Landes zwischen den Bürgerkriegsarmeen. In Monrovia herrscht die 9.000 Mann starke, hauptsächlich aus Nigeria stammende Westafrikanische Friedenstrupppe (ECOMOG), die eine nominelle Übergangsregierung unter dem jahrelang in den USA exilierten Professor Amos Sawyer eingesetzt hat. Das gesamte übrige Liberia wird von der „Nationalpatriotischen Front“ (NPF) unter Charles Taylor beherrscht, die Anfang 1990 den bewaffneten Kampf gegen das Regime von Präsident Samuel Doe aufgenommen hatte. Dritter im Bunde ist Prince Johnson, verantwortlich für die Ermordung Does im vergangenen September; er hält mit seiner „Unabhängigen Nationalpatriotischen Front“ (INPF) einen kleineren Teil der Hauptstadt.

Der Volkstribun Johnson, als unberechenbarer Alkoholiker gefürchtet, konnte sich zeitweilig beliebt machen, indem er geraubte Lebensmittel unter den Bewohnern der von ihm kontrollierten Stadtviertel verteilte, berichtet Sauer. Doch inzwischen gehen ihm die Mittel aus, und die ECOMOG-Friedenstruppe setzt sich als Ordnungsmacht durch: sie kontrolliert Autos und verhindert Plünderungen. Während gleichzeitig UN-Organisationen in den Außenbezirken die Versorgung von Flüchtlingen organisieren, macht die „Übergangsregierung“ des Exilanten Amos Sawyer nicht viel von sich reden. Am ehesten macht sich Vizepräsident Bischof Biggs bemerkbar, der oft auf den Straßen zu sehen ist, und auch dessen Ehefrau: sie hat eine Lebensmittelverteilungsorganisation namens „Self“ aufgebaut, die in den zentralen Bezirken Monrovias auch als embryonale Staatsmacht fungiert. „Self“ führt Häuserzählungen durch, faßt die Bewohner in Nachbarschaftskomitees zusammen und ernennt Verteiler, die in ihrer Nachbarschaft für die gerechte Verteilung von Grundnahrungsmitteln sorgen sollen — in einer Stadt wie Monrovia, wo Zehntausende heimatlose Flüchtlinge aus dem Umland leben, kein leichtes Unterfangen.

Nach Sauers Angaben ist die Teilung der Stadt zwischen der ECOMOG und Prince Johnsons Truppe stabil, Schießereien wie noch letzten Herbst finden nicht mehr statt. Um politische Kontakte mit dem Ausland wiederherzustellen, braucht Liberia jedoch eine international anerkannte Regierung — und dies soll durch die Wahlen Ende Februar gewährleistet werden. Vorauszusehen ist, daß Charles Taylor die Wahlen gewinnt, da er den Großteil des Landes beherrscht. Sollte er als Präsident Liberias installiert werden, müßte er Johnson und die bestehende Übergangsregierung unter Sawyer in seine Regierung aufnehmen — nur dann würde die ECOMOG- Friedenstruppe wieder abziehen. In Monrovia, so Sauer, wird bereits diskutiert, daß Prince Johnson ob seiner militärischen Fähigkeiten Verteidigungsminister und Amos Sawyer als Vertreter der alten US-liberianischen Oberschicht Vizepräsident werden könnte. Vom Erfolg des Gipfeltreffens in Lomé hängt es ab, ob dieses oder ein ähnliches Szenario Wirklichkeit werden und Liberia dem Frieden näher bringen kann. Dominic Johnson

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